31. Januar 2024

Rollenflexibilität: Karriereleiter oder Kletterwand?

Rollenflexibilität

Natürlich brauchen wir auch morgen noch Führungskräfte. Sehr viele sogar. Doch sie führen anders als früher. Und sie werden anders Karriere machen. Karriere wird zukünftig als Lernchance gesehen — nicht länger als hierarchischer Aufstieg. Karrieremobilität und temporäre Führung werden neue Schlagworte sein.

Von: Anne M. Schüller  

Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Veranstaltungen und Fachkongressen. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017/2018 und vom Business-Netzwerk Xing zum Xing-Spitzenwriter 2018 gekürt. Ihr aktuelles Buch „Die Orbit-Organisation“ wurde Finalist beim International Book Award 2019. Zudem wurde sie mit dem BestBusinessBook Award 2019 ausgezeichnet. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager sowie zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.

Vor allem die ambitionierten Talen­te der jungen Generation suchen ständig nach neuen Herausforderungen. Dabei wollen sie auch Karriere machen. Doch klassische Karriereleitern sind für viele kaum noch erstrebenswert. Kletterwandkarrieren mit Rollenflexibilität bie­ten einen Ausweg aus diesem Dilemma. Sie sind ein dringend benötigter Baustein, um die Zukunft eines Unternehmens zu sichern. Denn, ganz klar: Wenn sich um uns herum alles dynamisiert, tangiert das auch das Führungsverständnis.

Den besten Beitrag zur Transformation leisten Führende dann, wenn sie sich selbst transformieren. In fortschrittlichen Unternehmen ist Führung nicht länger ei­ne institutionalisierte hierarchische Stelle und zentralistisch auf wenige Schultern verteilt. Sie ist vielmehr als Rolle an Auf­gaben und Projekte gebunden. Mal ist je­mand Führende*r, mal Geführte*r. Und da, wo es viele Projekte gibt, wechseln die Rollen situativ. So wird es viel mehr Führende geben. Und der Bedarf an Füh­rungswissen wird insgesamt steigen. So­ziale Kompetenzen sind dabei elementar.

Mit zunehmender Digitalisierung werden Angestellte mehr und mehr von Software gesteuert. Das macht das Managen von Menschenhand weitgehend überflüssig. Verschwindet also das Methodische in den Computer, bleibt nur noch das Klar­kommen mit Menschen übrig. Dann wird eine Führungskraft vornehmlich für Din­ge gebraucht, die Computer (noch) nicht können, nämlich den Beschäftigten mit emotionaler Intelligenz, Empathie, Intu­ition und gesundem Menschenverstand zu begegnen.

Fortan braucht es Karrierealternativen

Führungsexzellenz braucht vor allem Sozialkompetenz. Denn Selbstorganisa­tion lässt Menschen reifen. Eigenverantwortung macht sie selbstbewusst. Entscheidungskompetenz macht sie stark. Reflexionsfähigkeit macht sie kri­tisch. Selbstinitialisierte Weiterentwick­lung macht sie anspruchsvoll. So kom­men für Führungsaufgaben fortan ausschliesslich Menschenspezialisten infrage.

Zudem braucht es Karrierealternativen. Gibt es die nicht, dann ist es nur logisch, dass Führende den notwendigen Wan­del blockieren. Um ihre Stellung und die damit verbundenen Privilegien haben sie lange gekämpft. Niemand gibt seine Führende gern freiwillig her. Mit Selbst­entmachtung ist also kaum zu rechnen. Zudem tangiert Beförderungspolitik im­mer auch die Lebensplanung. Insofern ist Selbstschutz völlig normal. Wer viel zu verlieren hat, klammert sich an den Status quo und hütet seine Befugnisse wie einen wertvollen Schatz. Zukunftsvernachlässi­gung ist die bedrohliche und immer stär­ker sichtbar werdende Folge.

Leider ist in Organisationen alten Stils noch immer ein Denken verankert, das Karriere gleichsetzt mit hierarchischem Aufstieg. Der Weg nach oben folgt einem vorgezeichneten Entwicklungsplan. Dabei gibt es viele Merkwürdigkeiten. Man dient sich hoch, ist irgendwann «dran» und darf nicht übergangen werden. Fähig oder un­fähig zu höheren Weihen? Kaum relevant. Ist die einzige Möglichkeit, mehr Geld zu verdienen, an eine Führungskarriere ge­koppelt, dann ist es nur logisch, dass man diese erstrebt – selbst dann, wenn man Menschen nicht führen kann oder will.

Ähnliches gilt für Leute mit akademischen Titeln. In vielen Unternehmen sind sie fast automatisch für Führungsaufgaben prädestiniert, obwohl man an der Uni so gut wie nichts über Führungsexzellenz lernt. Anderswo darf man sich einer Be­förderung ins Führen auch dann kaum widersetzen, wenn einem das nicht liegt. Man wird zum Führen «verdonnert». Wer hingegen eine begnadete Führungskraft wäre, aber noch jung ist, hat gefälligst auf der Karrierelaufbahn zu warten. Ein Klas­siker ist auch immer noch der: Gute Ergebnisse in fachlichen Dingen werden mit einer Führungsaufgabe belohnt. Leider ist ein solider Fachmann nur selten auch eine Führungspersönlichkeit.

Wie man Karrieren agilisiert: Kletterwand statt Leiter

Aus all diesen Gründen werden Alter­nativen zum klassischen Karrieremodell dringend gebraucht. Kletterwandkarrieren mit Rollenflexibilität bieten sich da geradezu an. Wie das funktioniert? Mal ist jemand Führungskraft eines Teams, mal Leiter eines Projekts, mal Verantwort­licher eines Prozesses, mal agiert er ganz ohne Führungsaufgaben in einer Exper­tengruppe, mal koordiniert er Bereiche crossfunktional.

Insofern gehen Kletterwandkarrieren viel weiter als der bisweilen praktizierte duale Weg, bei dem Fach- und Führungskarri­eren gleichgestellt sind. In beiden Fällen aber gilt: Wird eine Führungsrolle vorü­bergehend oder auf Dauer abgegeben, wird dies nicht als Rückschritt, sondern als Seitwärtsbewegung betrachtet. Vordefi-nierte Karrierewege, die zwangsläufig in eine Führungsaufgabe münden, gibt es dabei nicht mehr. Für den Einzelnen bringt dies oft wieder Freiheit und weni­ger Druck, vor allem dann, wenn einem das Führen eh nicht sonderlich liegt.

Die Führungskarriere darf nicht länger zwangsläufig als der bessere Weg gelten. Ohne Gesichtsverlust muss der Wechsel in eine Fachposition möglich sein. Dies ist auch deshalb höchst sinnvoll, weil Spitzenfachkräfte immer dringender benötigt werden. Statt Zwangsaufstieg auf der Karriereleiter braucht es für die­se neue Herausforderungen in der Breite der Unternehmenslandschaft. So können gute Leute weiterkommen, ohne andere führen zu müssen.

Kletterwandkarrieren bringen Karrieremobilität

Karriereleitern stehen für Traumkarrieren, aber auch für den Totalabsturz. An der Kletterwand hingegen kann man leicht eine neue Route einschlagen, wenn man an eine unüberwindliche Stelle gerät. Aus serdem sind diejenigen, die an Klet­terwänden geübt sind, grundsätzlich agiler, situativer, anpassungsfähiger und flexibler. Immerhin müssen sie sich ihre Standflächen selbst zusammensuchen, weil es keine vorgezeichneten Leiter­sprossen nach oben gibt. Mehr noch: Manchmal muss man wieder festen Bo­den unter die Füsse bekommen, um neu starten zu können.

Egal, mit welchem Aufstieg man weiter­macht, alles, was man bei früheren Klet­tergängen gelernt hat, kann helfen, die nächste Route schneller zu packen. Damit verbunden ist ein lebenslanges, selbstge­steuertes Lernen, um die eigenen Kom­petenzen stets zu erweitern, zu verbrei­tern und auf Höchststand zu halten. In Zeiten, in denen es vor unvorhersehbaren Ereignissen geradezu wimmelt, der tägli­che Wandel zur Normalität wird und der digitale Vormarsch ständig neue Anfor­derungen stellt, sind temporäre Führung und Kletterwandkarrieren somit genau die richtige Wahl.

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