23. April 2025

Kulturwandel: Was Führungskräfte zur Unternehmenskultur beitragen können

Kulturwandel

Kultur erlebt ein Revival als Schlüsselfaktor des Erfolgs von Unternehmen. Nur ist sie schwer zu fassen, und sie entzieht sich einfachen Rezepten. Dennoch können Führungskräfte viel zu einem Kulturwandel beitragen, sofern sie drei Aspekte im Auge behalten.

Von: Marek Daniel  

Dr. Marek Daniel

Organisationsberater und Coach BSO, Dozent an der Swiss HR Academy und für die WEKA-Gruppe. Er führt in Zürich ein eigenes Beratungsunternehmen für Organisationsentwicklung und Teamcoaching.

Unternehmenskultur ist wieder en vogue. Die HR-Beratungsfirma Gartner hat Kultur zum Topthema für das Jahr 2024 erkoren. HR-Fachleute haben entdeckt, dass Kultur eine wichtige Vor­aussetzung ist, damit Mitarbeitende im Unternehmen bleiben. Dies belegt z.B. die «Swiss-Champions»-Studie von PwC Schweiz. Im Zeitalter von Job-Bewer­tungsplattformen hat Kultur eine spür­bare Auswirkung auf die Arbeitsmarktat­traktivität eines Unternehmens. Nicht zu­letzt hat die hybride Arbeit der Kultur zu neuer Beachtung verholfen, da Werte und Verhaltensweisen nicht mehr ohne Wei­teres am Arbeitsplatz vermittelt werden.

Verhalten im Zentrum

Was macht das Thema Kultur so wichtig für Unternehmen? Nach der Definition von Ed Schein umfasst Kultur alle Werte und Einstellungen, die das Verhalten der Mitarbeitenden prägen. Aus Sicht der Organisationsökonomie regelt Kultur die­jenigen Verhaltensweisen, die nicht vor­geschrieben oder in Verträgen vereinbart werden können. Und das ist im Alltag die überwältigende Mehrheit. Ein bekannter Fall sind Besprechungen: Es mag Meeting-Regeln geben, entscheidend ist jedoch, wie die Mitarbeitenden Besprechungen handhaben. Folglich bringt es wenig, einen «Kulturwandel» an sich zu verlan­gen, gefragt ist eine Änderung des Ver­haltens in bestimmten Situationen, ohne dass dies eben verordnet werden muss.

Ein schwer fassbares Phänomen

Kultur ist freilich ein schwer fassbares Phänomen, das sich einfachen Rezep­ten entzieht. Zur Gestaltung der Unter­nehmenskultur bestehen in der Fachwelt unterschiedliche Standpunkte, die zum Teil weit auseinanderliegen. Das Spek­trum reicht vom Macher-Ansatz bis hin zur systemischen Position, die eine direk­te Gestaltbarkeit der Kultur verneint. In der Werkzeugkiste des Macher-Ansat­zes finden sich Instrumente wie Appelle, Verhaltensrichtlinien oder Impulsveran­staltungen. Sie sollen direkt auf die er­wünschte Haltung aufmerksam machen. Diese Interventionen bewegen allerdings wenig, solange ungünstige Rahmenbe­dingungen die alten Verhaltensmuster weiterhin stützen.

Hier kommen die systemischen Ansätze ins Spiel, die Unternehmenskultur in­direkt über die Gestaltung des Kontexts beeinflussen wollen. Kontext umfasst von diesem Standpunkt alle entscheidbaren Rahmenbedingungen im Unternehmen, namentlich Zielvorgaben, Instrumente und Strukturen. Indirekte Massnahmen alleine dürften aber zu wenig Zugkraft entfalten, während Appelle an neue Werte ohne Blick auf den Kontext naiv wirken. Für einen echten Kulturwandel braucht es beides, die richtige Mischung aus direkten und indirekten Massnah­men. Um diese Mischung zu finden, hilft die Reflexion der Werte und ihrer Auswir­kungen auf das Verhalten. Die Verände­rung der Kultur ist damit durch das Drei­eck von Werten, Verhalten und Kontext bestimmt.

Die Eckpunkte des Dreiecks

Sofern sie die Eckpunkte des Dreiecks im Auge behalten, können Führungskräfte viel zu einem «Kulturwandel» beitragen. Nur gibt es keine Instantlösungen, viel­mehr ist kontinuierliche Arbeit gefragt. Am Anfang steht die Reflexion der Werte. Aus diesem Grund sind sie an der Spitze des Kultur-Dreiecks vermerkt: Welche Haltungen werden derzeit im Unterneh­men gepflegt, wie wirken sie sich aus? Und welche neuen Sichtweisen wären hilfreich? Eine ernsthafte Auseinander­setzung mit diesen Fragen erspart späte­re Rechtfertigungen und vermeidet den Eindruck einer pauschalen Abwertung der bestehenden Kultur. HR-Fachleute können Führungskräfte bei der Reflexion unterstützen, indem sie Fragen und Be­obachtungen sammeln, die in einem Füh­rungsworkshop ausgewertet werden.

Im Alltag beginnen Führungskräfte am besten mit indirekten Mitteln, so bereiten sie den Boden für neue Arbeitsweisen. Ein Mittel, das gerne übersehen wird, ist das Entschlacken des Betriebs von unnötigen Vorschriften, Zuständigkeitsregeln und Kontrollen. In der Praxis scheitern viele neue Ideen an starren Strukturen. Zur Entschlackungskur gehören die Delega­tion von Befugnissen und die Vereinfa­chung von Kommunikationswegen. Das verschafft den Mitarbeitenden den not­wendigen Freiraum, um neue Verhaltens­weisen auszuprobieren. Darüber hinaus sind Tools wie Zielvereinbarungen und Controlling-Instrumente auf ihre Neben­effekte zu überprüfen. Es ist unbedarft, von den Angestellten unternehmerisches Denken und Handeln zu fordern, wenn gleichzeitig die Mitarbeitendenbeurteilung zur Bestrafung von Risikofreude führt. Ein Tool-Check-Workshop mit den Verantwortlichen hilft, unerwünschte Effekte zu entdecken. HR-Fachleute kön­nen dazu ihre Beobachtungen aus dem Kontakt mit der Belegschaft beisteuern, im Idealfall ergänzt mit Daten aus HR-Sys­temen und aus Personalumfragen.

Erst jetzt sind direkte Massnahmen, also Appelle, Vorgaben und Schulungen, wirk­lich glaubwürdig. Eine Teamcharta oder ein Leitbild gelten als bewährte Mittel, um erwünschte Werte und Verhaltensweisen zu verdeutlichen. Sie haben den Vorteil, dass sie im Zweifelsfall den Mitarbeiten­den eine Orientierungshilfe bieten. Da­neben gibt es aber mindestens ebenso effektive Mittel, um Menschen für einen Werte- und Verhaltenswandel zu gewin­nen. An erster Stelle steht das Vorbildhandeln der Führungskräfte, beispielsweise die Art, wie sie Aufträge erteilen und Rückmeldungen geben. Der Umgangston und die individuelle Behandlung der Mit­arbeitenden sind weitere Elemente, mit denen Führungskräfte den «erwünschten Stil» demonstrieren können.

Ein anderer Weg besteht darin, die Mit­arbeitenden neue Arbeitsweisen selbst erleben zu lassen. Dafür eignet sich die Projektarbeit, bei der z.B. neue Rol­len oder ko-kreative Workshopformate ausprobiert werden. Projekte sind einer der Orte, an denen die Mitarbeitenden fach- und hierarchieübergreifende Zu­sammenarbeit erleben und vertiefen können. Selbst einfache Meetings und Besprechungen bieten die Gelegenheit zum «Musterbruch», etwa wenn Mit­arbeitende die Diskussion leiten oder Gäste am Schluss die Ergebnisse kom­mentieren.

Workshops und interne Schulungen mögen weiterhin wichtige Instrumen­te sein, um Kompetenzen zu erweitern und Denkanstösse zu vermitteln. Jedoch gibt es auch dazu einige Alternativen, bei denen HR-Fachleute die Führungskräfte beraten können.

Kulturwandel gleicht einer Reise, die Fin­gerspitzengefühl und Geduld verlangt. Hauruck-Aktionen geraten schnell in den Geruch von «Organisationskosmetik», isolierte Interventionen wirken konzept­los. Nur im sorgfältig aufeinander ab­gestimmten Ensemble greifen die Mass­nahmen. Eine periodische Überprüfung verhindert, dass Führungskräfte oder ein­zelne Teams vom Weg abkommen. Das heisst, die Verantwortlichen sollten fort­laufend zwischen den Eckpunkten des Dreiecks navigieren. Kulturwandel benö­tigt letztlich den gleich langen Atem wie der Aufbau einer Marke. Für engagierte Führungskräfte gibt es genügend Mög­lichkeiten, die Kultur zu prägen. Grosse Programme sind nicht einmal notwendig, ein Bündel kleinerer Massnahmen dürfte sogar eher zum Erfolg führen.

KULTURWANDEL: ANREGUNGEN FÜR DIE PRAXIS

Reflexion (Werte)
• Kultur-Backlog für Anliegen und Erkenntnisse einrichten, der in Leitungs- oder in Strategie-Workshops regelmässig ausgewertet wird. Ergänzend können Kultur-Beobachter Anregungen und Erlebnisse auf dem Backlog platzieren.


Indirekte Massnahmen (Kontext)
• Entschlacken: Eine Arbeitsgruppe sucht systematisch nach überflüssigen Regeln und anderem Ballast im Betrieb, das darf sich auch auf Zielsysteme und Controlling erstrecken.
• Anreize setzen: Experimente (mit offenem Ausgang!) in die Zielvereinbarung aufnehmen.
• Initiativen von unten aktiv unterstützen: Mitarbeitende können ihre Ideen einem Führungsgremium vorschlagen, ein Mitglied übernimmt danach die Sponsorenrolle (nur hilfreich, wenn es ernst gemeint ist).


Direkte Massnahmen (Verhalten)
• Erwünschte Werte sichtbar machen: Erfolgsbeispiele, die erwünschte Werte und Arbeitsweisen veranschaulichen, gezielt sammeln und in Form von Geschichten verbreiten (Storytelling, darf auch von unten kommen).
• Erlebenlassen 1: Im ko-kreativen Format des Hackathons suchen Mitarbeitende in fachübergreifenden Arbeitsgruppen nach Lösungen für betriebliche Probleme.
• Erlebenlassen 2: In Retrospektiven, d.h. Treffen zur Rückschau auf die Arbeit im Team, lernen Mitarbeitende, die eigene Arbeitsweise auf konstruktive Art zu hinterfragen.
• Erlebenlassen 3: Eine weitere Möglichkeit sind selbst organisierte Lern- und Arbeitsgruppen. Sie geben sich eigene Aufträge, die bei Bedarf von der Leitung bestätigt werden.
• Impulse vermitteln: Nebst Schulungen und Workshops vermittelt der Besuch eines anderen Teams oder eines anderen Betriebs Anregungen für neue Arbeitsweisen («Seitenwechsel»), ein bewusster Wechsel der Berufsgruppe oder der Branche kann den Impuls noch verstärken.

 

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