Für den Mitarbeiter eines Textilgeschäftes ist es selbstverständlich, dass Kunden sich in den von ihnen ausgewählten Kleidungsstücken – mal abgesehen von der Auswahl der richtigen Grösse – zunächst sehen wollen, bevor sie sich für einen Kauf entscheiden. Doch wie setzt man diese Empfehlung beispielsweise beim Einkäufer eines Industrieunternehmens um, der nach dem Erwerb einer neuen Maschine in einem kritischen Gespräch mitteilt, dass die Einführung der neuen Technologie aufgrund mangelnder Kenntnisse der Mitarbeiter sehr schleppend und damit zu kostenintensiv voranschreitet?
Der in erster Linie um Schadensbegrenzung bemühte Verkäufer wird möglicherweise argumentieren, dass solche Startschwierigkeiten normal seien, dass man sich keine Sorgen machen müsse und dass schon alles in Ordnung kommen werde, wenn man nur geduldig sei und in weitere Mitarbeiter-Schulungen investiere. Auch wenn er damit vermutlich Recht hat, so wird diese Erklärung einen enttäuschten oder sogar aufgebrachten Einkäufer nicht überzeugen.
Eine bildhafte Sprache vermittelt zwar sachlich keine anderen Informationen, überzeugt aber dennoch und trifft in den meisten Fällen auf mehr Verständnis:
«Herr Schulz, Sie fragen sich, ob Ihre neue Investition wirklich sinnvoll ist, weil Ihre Mitarbeiter die neue Technik derzeit noch nicht voll bedienen und nutzen können. Das kann ich gut verstehen. Mich erinnert das an das erste Mal, als ich an einem Computer sass. Damals benötigte ich zwei Stunden, um eine halbe DIN A4 Seite Text zu tippen und zu formatieren.» Schmunzelnd erwidert Herr Schulz: «Ja, das stimmt. Bei mir war es ähnlich. Ich wollte damals eine Geburtstagseinladung ausdrucken, habe aber nach eineinhalb Stunden aufgegeben und sie dann – wie immer bis dahin – mit der Hand geschrieben.» «Ja, genau so ging es mir damals. Und ich war der festen Überzeugung, dass sich Computer auf keinen Fall durchsetzen würden. Na, ich denke wohl, damit habe ich mich geirrt, was meinen Sie?» «Tja, das ist ja wohl unbestreitbar!» «Genau. Nach diesem ersten Versuch dauerte es übrigens noch zwei Monate, bis ich mir dann meinen ersten Computer gekauft habe. Ich wollte meine Diplomarbeit dann doch nicht mehr mit der Schreibmaschine schreiben, liess mir von einem Freund – an zugegeben zwei sehr zähen Nachmittagen – die wesentlichen Funktionen erklären, benötigte zwei weitere Tage, um diese Funktionen auszuprobieren, konnte dann aber nach weniger als einer Woche anfangen, meine Diplomarbeit am Computer zu erstellen. Wenn ich denke, wie viel Zeit ich bis dahin an der Schreibmaschine allein damit vergeudet hatte, Tippfehler zu korrigieren, dann muss ich manchmal heute noch schmunzeln.» «Na ja, ich habe schon verstanden. Sie haben im Grunde ja auch Recht. Doch wenn ein ganzes Mitarbeiterteam Startschwierigkeiten hat, dann fällt es mir eben erst mal schwer, das mit einem ahnungslosen PC-Einsteiger zu vergleichen.»
Sie halten dieses Beispiel vielleicht für ein wenig einfach. Doch glauben Sie mir, unabhängig vom Inhalt: Bildhafte Sprache dringt schneller und unmissverständlicher in unser Gehirn und ist dadurch leichter verstehbar. Noch ein anderes, deutlicheres Beispiel gefällig?
«Am Donnerstagabend vergangener Woche wurde ein Einfamilienhaus während eines heftigen Gewitters von einem Blitz getroffen. Der Einschlag war so stark, dass das dadurch entstehende Krachen die ganze Nachbarschaft in Unruhe versetzte und einige Einwohner trotz des einsetzenden Regens ihre Häuser verliessen und auf die Strasse rannten.»
Nun eine bildhafte Sprache:
«Letzte Woche, Donnerstagabend. Ein schwarzer Gewitterhimmel. Plötzlich ein unglaublicher Knall! Der Blitz schlug direkt ins Haus ein. Einige Nachbarn standen ruck, zuck auf der Strasse, obwohl es eben anfing, Fäden zu regnen.»
Sicher haben Sie es gemerkt: Einerseits machen die kurzen Sätze das Verstehen leichter, andererseits entwickeln sich dadurch schneller die Bilder zur Geschichte in Ihrem Kopf.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die positive Ausdrucksweise. Die meisten von uns sind von Kindesbeinen an Negationen gewohnt. Vom lateinischen Wortursprung her bedeutet «Negation» Ablehnung oder Verneinung. Eine der gängigsten Negationen in unserem alltäglichen Sprachgebrauch ist der Ausdruck «Kein Problem». Da wir selbst es nicht anders gelernt haben, nutzen wir diese und ähnliche Negationen anstelle der besseren, positiven Ausdrucksweise. Im Fall von «Kein Problem» wäre das – je nach Zusammenhang – entweder «wird gemacht» oder «Lösung» oder «selbstverständlich». Auch in der Erziehung unserer Kinder verwenden wir meist Sätze wie «lass nicht immer die Kühlschranktür auf», «iss nicht mit schmutzigen Händen» oder «vergiss nicht, die Zähne zu putzen». Natürlich ist klar, was damit gemeint ist. Unserem Gehirn allerdings entspricht diese Redeweise nicht. Es nimmt die beiden Negationen «kein» und «Problem» als zwei unabhängige Verneinungen wahr und benötigt sozusagen eine höhere Denkleistung, um den daraus folgenden Schluss «Lösung» zu bilden. Und da unser Gehirn mit Bildern arbeitet, wird sich dem Kind, dem wir immer wieder sagen, es soll die Kühlschranktür nicht offen lassen, zwangsläufig das Bild einer offenen Kühlschranktür einprägen. Ebenso, wie die ständige Wiederholung der Produktaussagen in der Werbung sich uns irgendwann dauerhaft einprägt, prägt sich auch das in dieser Form wieder und wieder im Geist erzeugte Bild ein. Die Folge: Je häufiger wir unsere Kinder ermahnen, etwas nicht zu tun, desto mehr neigen sie mitunter zu genau diesen Handlungen.
Folgendes Beispiel macht das sehr deutlich:
Denken Sie bitte jetzt auf keinen Fall an den Eifelturm! Machen Sie sich bitte jetzt vor Ihrem inneren Auge auf keinen Fall ein Bild vom Eifelturm, denken Sie auch nicht an Paris oder an das Wort Eifelturm! Falls doch, zahlen Sie einen Euro in die Strafkasse!
Die Alternative? Formulieren Sie positiv und zielorientiert! Anstelle von «lass nicht immer die Kühlschranktür offen» sagen Sie: «Mach bitte die Kühlschranktür zu!» Wenn Sie einen Kunden über den Produktpreis informieren sagen Sie «preisgünstig» anstelle von «nicht teuer». Lieferanten liefern nicht «nie zu spät» sondern «immer rechtzeitig», Waren gehen nicht «selten kaputt» sondern sind «dauerhaft stabil» oder «lange haltbar». Mit anderen Worten: Wenn Sie nicht möchten, dass Ihr Gesprächspartner an etwas Bestimmtes denkt, dann erwähnen Sie es auch nicht als Negation. Denn auch die Erwähnung, dass etwas «kein Problem» darstellt, macht das Problem zum Thema.