19. Juni 2024

Gemeinsam stark: Die Kunst, positive Veränderungen zu fördern

Gemeinsam stark

Wofür interessieren Sie sich, wenn Ihre Mitmenschen von schwierigen Situationen erzählen? Für das, was in der Situation passiert ist? Oder für das, was die Person in der Situation stärkt und ihre Handlungsmöglichkeiten erhöht? Fördern Sie die Resilienz Ihrer Mitmenschen durch aufrichtiges Interesse an deren stärkenden Verhaltensweisen, Fähigkeiten und Qualitäten und gestalten Sie zusätzlich gute Beziehungen.

Von: Elfriede Czerny, Dominik Godat  

Elfriede Czerny

Sie ist Coach und Potenzialentwicklerin. Gemeinsam mit Dominik Godat leitet sie das Zent­rum für lösungsfokussierte Führung.

Dominik Godat

Er ist Studienleiter des CAS Coaching als Führungs­kompetenz an der Hochschule Luzern und Buchautor.

Eine gute Freundin erkrankte vor eini­gen Jahren an Krebs. Während eines Spitalaufenthalts im Rahmen ihrer Chemotherapie war sie fest entschlos­sen, nicht über ihre Krebsgeschichte zu sprechen. Stattdessen wollte sie sich mit anderen über ihre Vorfreu­de auf die Zukunft, über all das, was sie in dieser schwierigen Zeit stärkt, und über das, was ihr im Moment guttut, austauschen. Sobald sie das Patient*innen­Outfit angezogen hat­te, erkannte sie, dass dies nicht ein­fach werden wird. Von Patient*innen, Krankenpfleger*innen und Ärzt*innen bekam sie immer wieder eine Frage gestellt: «Was ist deine Geschichte?» Gemeint war damit ihre Krankenge­schichte. Durch wohlgemeinte Fragen der Menschen in ihrem Umfeld fühlte sie sich häufig nicht als eine Person wahrgenommen, die über Ressourcen, Fähigkeiten und ein Heilungspotenzial verfügt. Vielmehr hatte sie das Gefühl, auf ihre Geschichte reduziert zu wer­den. Genau genommen zeigten die Menschen nicht einmal Interesse an ihrer Geschichte, sondern vielmehr an der Geschichte ihres Tumors.

Unerwünschte Nebenwirkungen 

Dieses gut gemeinte Interesse an den Details der Geschichte unserer Mit­menschen kann unerwünschte Neben­wirkungen auslösen. Je mehr Sie Ihr Gegenüber einladen, über das zu spre­chen, was Schlimmes passiert ist, wie es so weit kommen konnte, wer alles dran beteiligt war und so weiter, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Problem noch grösser wird.

Lenken wir die Aufmerksamkeit auf das, was schiefgelaufen ist oder was schmerzhaft ist, kann dies die negati­ven Emotionen und Gedanken verstär­ken, die die betroffene Person bereits hat. Dies kann dazu führen, dass sich die Person noch schlechter fühlt. Wer­den negative Aspekte verstärkt, kön­nen zudem Hoffnung, Optimismus und der Glaube an eine positive Verände­rung schwinden. Dies fördert weder die Handlungsfähigkeit noch die Zuver­sicht unserer Mitmenschen und von uns selbst. 

Was stattdessen?

Es birgt Risiken, Menschen über tragi­sche Ereignisse sprechen zu lassen, die sie erlebt haben. Dennoch gehen viele Menschen im Alltag davon aus, dass es notwendig ist, das Problem genau zu kennen und daher mit der Erzählung der Geschichte zu beginnen, bevor man mögliche Lösungen, Ideen, nächste Schritte entwickeln kann.

Was jedoch, wenn sie mehr Zeit dafür aufwenden, sich für das zu interessieren,

  • was die Person möchte,
  • wie ihre gewünschte Zukunft aus­sieht und
  • was auf diesem Weg bereits jetzt schon funktioniert oder
  • wie bisherige (wenn auch noch so kleine) Erfolge erzielt wurden.

Wir beobachten, wie in solchen Gesprä­chen Hoffnungen wachsen, da die Per­sonen erkennen, dass sie ihre Zukunft beeinflussen können. Es gibt mittler­weile genügend Evidenz dafür, dass es nicht notwendig ist, das Problem oder die Ereignisse zu beschreiben, damit sich die Person verstanden fühlt und Veränderungen in Richtung eines erfüll­teren Lebens vornimmt. Im Gegenteil, ein Gespräch über das, was die Person möchte, kann sehr beziehungsfördernd und handlungsbefähigend sein.

Zeigen Sie daher Interesse an den stärkenden Geschichten Ihrer Mitmenschen, an ihren Werten, Ressourcen und Stärken. Dies kann eine Vielzahl von positiven Wirkungen haben:

  • Stärkung der Resilienz: Das Fokus­sieren auf stärkende Aspekte hilft Menschen, ihre Resilienz zu stärken. Sie lernen, wie sie ihre Ressourcen nutzen (können), um Krisen und Schwierigkeiten zu überwinden.

  • Ermutigung zur positiven Verände­rung: Indem Sie die Werte einer Person erkennen und unterstützen, können Sie sie ermutigen, positive Veränderungen in ihrem Leben vor­zunehmen, die ihren Werten ent­sprechen.

  • Verbesserung der zwischenmensch­lichen Beziehungen: Das Interesse an den Fähigkeiten einer Person und Gelingendem kann die Beziehung stärken, da sie sich verstanden und geschätzt fühlt. Dies kann das Ver­trauen und die Verbundenheit för­dern.

  • Förderung von Selbstvertrauen: 
    Durch das Hervorheben stärkender Qualitäten werden Menschen ermu­tigt, an sich selbst zu glauben und Vertrauen in ihre Fähigkeiten auf­zubauen. Dies kann ihnen das Ver­trauen geben, Herausforderungen zu bewältigen.

  • Steigerung des Wohlbefindens: Wenn Menschen sich auf das konzentrie­ren, was sie stärkt und unterstützt, kann dies dazu beitragen, Stress zu reduzieren und das allgemeine Wohl­befinden zu steigern.

  • Inspiration: Indem Sie Erfolgsge­schichten anderer Menschen hören, stärken Sie nicht nur Ihr Gegenüber, sondern auch sich selbst. Mögli­cherweise finden Sie in den Antworten und Erzählungen für Ihr Leben Inspiration. Zudem werden auch Ihre Hoffnung und Zuversicht auf Ver­änderung gestärkt, wenn Sie mehr von den Ressourcen, Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten hören, über die Ihre Mitmenschen, selbst in schwierigen Momenten, verfügen. 

Werden Sie Resilienzforschende 

Die südafrikanische Therapeutin Jacqui von Cziffra-Bergs und die kanadische Psychologin Brigitte Lavoie unterschei­den zwischen Resilienzforscher*innen und Ereignisforscher*innen. Sie laden uns mit dieser Metapher ein, in schwie­rigen Momenten all das zu fördern, was uns und unsere Gesprächspartner*in-nen stärkt, anstatt negative Erlebnis­se durch wiederholtes Erzählen zu ver­stärken.

Ereignisforschende wollen herausfinden, was genau passiert ist, wer daran beteiligt war, wie sich die Person dabei gefühlt hat, was sie empfunden hat. Sie fokussieren damit auf das, was die Person in der Regel bereits weiss. Im Zentrum steht vor allem, dass die Person, die fragt, mehr erfährt, und weniger darin, die andere Person zu stärken.

Resilienzforschende wollen hingegen herausfinden, was der Person hilft, mit der schwierigen Situation umzugehen, was der Person in dieser Situation wichtig ist und wie sie handlungsfä­hig bleiben kann. Sie fokussieren Be­mühungen, Erfolge, Fähigkeiten und Werte. Resilienzforschenden geht es vor allem darum, ihr Gegenüber zu stärken sowie Hoffnung auf Verände­rung, Zuversicht und Handlungsfähig­keit zu fördern.

Fördern Sie Resilienz im Dialog. Stellen Sie dazu resilienzfördernde Fragen, die auf das fokussieren, was die Person möchte, und versuchen Sie herauszu­finden, was die Person gerade stärkt.
 

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