03. April 2024

Führungspersönlichkeit: Vom Tyrannus-Bossus bis zum Hängemattenkönig

Führungspersönlichkeit

Jeder von uns kennt jemanden, der jemanden kennt, dessen Vorgesetzte*r die Klaviatur des Mitarbeiter-Vergraulens bestens beherrscht. Atemraubende Führungsbeispiele, bei denen man sich fragt: Wie konnte er/sie denn nur in diese Position kommen? In diesem Beitrag nehmen wir einmal einige Prachtexemplare der Gattung Tyrannus Bossus augenzwinkernd unter die Lupe.

Von: Evelyn Wenzel  

Evelyn Wenzel

Evelyn Wenzel

Evelyn Wenzel ist Geschäftsführerin der Stärken schmiede GmbH und Expertin für positive Leadership. Sie unterstützt Führungskräfte und Teams in Coachings und Workshops dabei, durch Stärkenfokus erfolgreicher zusammenzuarbeiten.

Die Bürospatzen pfeifen es von allen Dächern. Doch wie so oft bleiben blinde Flecken genau von denen unbe­merkt, denen sie anhaften. Denn es zeigt sich, dass die meisten Führungspersonen ein optimistischeres Selbstbild haben, als Mitarbeiterbefragungen ergeben. Einer Allensbach-Studie entsprechend, schät­zen erfahrene Manager ihr Führungsver­halten deutlich positiver ein, als es Mit­arbeitende ihnen attestieren. Selbst- und Fremdbild klaffen z.B. bei der Bewertung der Zuverlässigkeit von Führungskräften auseinander. Ebenso bemängeln Mit­arbeitende die fehlende Kritikfähigkeit ihrer Chefs (62%), dominantes Führungs­verhalten und mangelnde Förderung. Die gute Nachricht: Ungünstiges Führungs­verhalten ist kein Vorsatz. Kaum jemand steht morgens auf und nimmt sich vor, den Mitarbeitenden mal ordentlich den Tag zu verderben. Und dennoch scheinen demotivierende Verhaltensweisen hier und da durch und entfalten ihre Wirkung. Gut gemeint ist nicht immer gut umge­setzt. Auch Führungsschnitzer zeichnen sich durch Artenvielfalt aus. Wer in einem der Beispiele eigene Tendenzen erkennt, kann dies schon als ersten Schritt zur eigenen Entwicklung sehen und etwas verändern. Schauen wir uns doch einige Spezies genauer an:

Der Bewahrer und Verwalter

Sie sind die Hüter der Vergangenheit und betrachten Veränderung als ähnlich be­drohlich wie Lord Voldemort (Bösewicht aus Harry Potter). Oftmals ist diese Gat­tung schon seit Jahrzehnten im Beruf und hat dadurch bereits manches kommen und gehen sehen. Mitarbeitende wer­den in Kenntnis darüber gesetzt, wie oft schon Veränderungen nicht funktioniert haben und warum es diesmal auch schei­tern wird. Sie verwalten Aufgaben, statt Prozesse zu verbessern. Sie meinen es gut – doch ersticken leider den Zeitgeist und notwendige Entwicklungen in un­zähligen «Ja, aber ...». Auf ambitionierte und entwicklungsbereite Kollegen wirken sie wie ein Löschzug, der jedes Feuer der Begeisterung zum Erliegen bringt.

Tyrannus-Bossus

Man hört diese Gattung schon, bevor man sie sieht. Ihr Atem weht die Büro­gänge entlang und hinterlässt Flurschä­den. Sie sind verärgert, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben. 

Ihre Kommunikation kennt nur eine Rich­tung: Sie reden. Zuhören ist etwas für Weichspüler. Ansagen bestimmen ihren Tag. Andere Ideen oder Widerspruch sind zwecklos bis gefährlich. Man erkennt sie auch gut an den Aussagen: «Wir haben hier keine Innovatoren. Keiner denkt mit. Wofür bezahlen wir die überhaupt?» In diesem Regime traut sich niemand mehr, sich einzubringen, da Ideen und Mitar­beitende auch gerne zügig abgebügelt werden.

Besserwisser und Universalgenies 

Die Ersteren sehen sich als verkannte Nobelpreisträger, ohne deren Fachkom­petenz der Laden sofort zusammenbre­chen würde. Deshalb beglücken sie auch alle auf Schritt und Tritt mit Erklärungen und Hintergrundinformationen. Dass dies sämtliche Prozesse episch werden lässt, ist nicht ihr Problem. Sie sorgen ja für Qualität angesichts all der Unwis­senheit in der Firma. Die Universalgenies setzen da noch eine Schippe drauf. Denn sie wissen nicht nur alles, sie sind quasi MacGyver in Aktion und retten täglich durch ihren Beitrag das Überleben aller in der Firma. Den Besserwisser hält das Universalgenie für einen Fachidioten, den Rest der Belegschaft für hilflose Welpen, deren Horizont es zu erweitern gilt durch 24/7-Feedback. Beide neigen zu Mikro­management und übersteuern das Sys­tem. Und beide umgibt früher oder später der Hauch der Unberührbaren – denn sie werden aufgrund ihrer Zeitintensivität weitläufig gemieden.

Stürmer und Dränger

Man erkennt sie schon an ihrer Körper­sprache: angespannt bis in die Haarspit­zen, strammer Gang, wedelnde Arme. Alles geht «zack, zack», zwischen Gedan­ken und Tat verstreichen nur Millisekun­den, und eine eigene Idee gilt schon als durchdacht, wenn sie die Reifezeit eines Toilettenbesuchs hatte. Diese Gattung tritt bossy auf, überzeugt mit Geschwin­digkeit oder Vehemenz und duldet kei­nen Aufschub. Die Hüftschussmentalität führt in der Belegschaft zu viel Sackgas­senarbeit, hektischer Stimmung und Ver­wirrung.

Die Mutter

Mutter-Führungskräfte stülpen sich wie eine Käseglocke allzeit präsent über ihre Mitarbeitenden und lesen ihnen alles von den Augen ab. Sie fragen, geben Rat – auch gerne ungebeten, unterstützen, umarmen, quatschen und bringen Selbst­gekochtes von zu Hause mit. Sie wollen, dass sich alle wohlfühlen in ihrer Gegen­wart. Ihre zeitraubende Omnipräsenz weckt bei eigenständig denkenden Er­wachsenen leider schon bald Mordgelüs­te, denn all die Fürsorge erstickt Freiraum und Arbeitsfreude. Meinungsdifferenzen kommen einem Armageddon gleich, die wochenlange Teamtherapie zur Folge ha­ben können. Dieses Verhalten führt oft zu einer Art erzwungener Nähe statt Wir-Gefühl und fördert Lästereien.

Hängemattenkönig

Hängemattenkönige arbeiten im Tarnkappenmodus, und niemand weiss so richtig, wofür es sie gibt. Sie wälzen alle Aufgaben – inklusive ihrer Führungsauf­gaben – an das Team ab und halten sich für Delegationsmeister. Konflikten gehen sie aus dem Weg, Sicherheit und Unter­stützung geben sie nicht, sondern dele­gieren auch das direkt an andere aus dem Team. Bei Meetings tauchen sie selbst unvorbereitet auf, beglücken dann aber alle mit flotten Sprüchen. Das Gute an ih­nen ist, dass sie der Eigenständigkeit des Teams nicht im Weg stehen. Nicht selten führen teaminterne Rollenkonflikte je­doch zu Produktivitätseinbussen, die viel zu spät erkannt werden.

Führungs-No-Gos zusammengefasst

Bewahrer: Halten am Alten fest    

Tyrannus Bossus: Setzen sich kraft ihrer Funktion durch          

Besserwisser: Geben Ratschläge bei jeder Gelegenheit   

Alles-Entscheider: Entscheiden alles schnell und am besten selbst            

Mikromanager: Haben Augen, Ohren und Finger überall, verhindern Eigenständigkeit

Stürmer und Dränger: Verbreiten Hektik durch blinden Aktionismus

Universalgenies: Wissen alles, können alles und mischen überall mit – überregulieren das System

Mütter: Erdrücken durch Überfürsorglich­keit, nehmen Mitarbeitenden Verantwortung ab und erziehen zu Hilflosigkeit

Hängemattenkönige: Halten sich aus allem raus und wollen keine Scherereien – führen gar nicht

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