12. Dezember 2025

Führung auf Augenhöhe: Schmilzt in der Führungsetage der Permafrost?

Führung auf Augenhöhe

In Zeiten von Multigenerationen-Unternehmen werden Diskussionen über Führung auf Augenhöhe mit Altersunterschied immer lauter. Unterschiedliche Generationen bringen eigene Erwartungen, Kommunikationsstile und Vorstellungen von guter Führung mit — das birgt Konfliktpotenzial, aber auch die Chancen. Wie mit PERMA-Lead das psychologische Wohlbefinden sowie die Vertrauensbasis der Mitarbeitenden gefördert werden können, erfahren Sie im Beitrag.

Von: Pascal Dimitri Ruchti  

Pascal Dimitri Ruchti

Pascal Dimitri Ruchti ist beim Coachingzentrum Olten als Mitarbeiter Produkteentwicklung tätig. Als BSc. Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie verfügt er über ein breites Grundlagewissen in den Bereichen New Work, betriebliches Mentoring, Resilienz und Supervision.

Führen Sie noch oder haben Sie schon den Lead? Führung auf Augenhöhe wird oft romantisiert. Das Bild eines har­monischen Miteinanders, in dem sich alle Beteiligten gleichwertig einbringen und gehört fühlen, klingt verlockend. Doch die Realität zeigt: Ohne klare Strukturen, bewusstes Rollenverständnis und eine Führungspersönlichkeit, die Sicherheit bietet, kann dieses weichgezeichnete Ideal schnell zu Verwirrung, Machtvaku­um oder Frustration führen. Unabhängig von Rang, Alter oder Erfahrung bedarf es eines gezielten Dialogfensters mit psy­chologischer Sicherheit – ohne Angst da­vor, die eigene Autorität zu untergraben oder Führungspersonen zu torpedieren.

Altersunterschied als Stolperstein?

Besonders brisant wird es vermeintlich, wenn Führende und Geführte verschie­denen Generationen angehören. Alters­unterschiede bringen per se eine gewisse Asymmetrie mit – sei es durch unter­schiedliche Lebenserfahrung, technologi­sche Prägung oder Arbeitsverständnisse. Manche Mitarbeitende wollen zu jeman­dem «aufschauen», suchen Orientierung und Führung durch Erfahrung. Andere hingegen empfinden jede Form von «He­rabschauen» – ob wahrgenommen oder real – als Angriff auf ihre Kompetenz und Autonomie. Diese subtile, aber mächtige Dynamik verlangt ein feines Gespür für zwischenmenschliche Signale und die Fähigkeit, zwischen Nähe und Distanz, Augenhöhe und Autorität, Alt und Jung zu navigieren.

Wer Distanz macht, strebt nach Machtdistanz

Wenn wir über Augenhöhe sprechen, dann betreten wir ein Terrain, das in der Unternehmensrealität häufig mit stil­len Stolpersteinen gepflastert ist. Einer dieser Stolpersteine hat einen Namen: Machtdistanz – oder im internationalen Kontext «Power Distance», ein zentra­les Element im berühmten Kulturmodell des niederländischen Sozialpsychologen Geert Hofstede.

Hofstede definierte Machtdistanz als das Ausmass, in dem weniger mächtige Mitglieder von Institutionen und Organi­sationen in einem Land akzeptieren und erwarten, dass Macht ungleich verteilt ist. Kurz gesagt: Wie selbstverständlich ist es, dass die Chefin sagt, wo es langgeht – und alle nicken, auch wenn sie anderer Meinung sind?

Für Menschen mit hoher Machtdistanz gilt es als völlig normal, dass Vorgesetzte nicht hinterfragtwerden. Autorität ist dort kein Aushandlungsprozess, sondern eine Tatsache. Für Menschen mit niedriger Machtdistanz sind flache Hierarchien, partizipative Führung und die Einbindung aller Ebenen tief im Führungsverständnis verankert.

Unsere Realität liegt vermutlich irgend­wo dazwischen. Zwar wird gerne über Augenhöhe gesprochen, doch faktisch herrscht in vielen Organisationen noch ei­ne starke «Kopf-nickt-nach-oben»-Men­talität. Entscheidungen werden gerne top-down gefällt – auch wenn sie später als «gemeinsam erarbeitet» verkauft wer­den. Die Folge: Vermeintliche Augenhöhe wird zum Feigenblatt für eine unreflek­tierte Machtausübung.

Psychologische Sicherheit: Führung braucht Vertrauen

Doch wie gelingt es, echte Augenhöhe herzustellen – ohne die eigene Autori­tät zu verlieren? Das Fundament legt die psychologische Sicherheit. Führungs­kräfte müssen Räume schaffen, in denen Mitarbeitende unabhängig von Alter, Er­fahrung oder Hintergrund ihre Meinung sagen dürfen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen.

Dies ist kein Widerspruch zu klarer Füh­rung – im Gegenteil. Wer psychologische Sicherheit bietet, stärkt seine Position als verlässliche und kompetente Führungs­kraft. Nicht Lautstärke oder Kontrolle er­zeugen Respekt, sondern Klarheit, Verläss­lichkeit, Integrität sowie Empowerment.

Zwischen Loslassen und Verantwortung

Führung auf Augenhöhe bedeutet also nicht, Führung aufzugeben, sondern sie bewusster, differenzierter und situativer zu leben. Es geht darum, Macht nicht als Instrument des Drucks, sondern als Ver­antwortung zur Ermächtigung zu verste­hen. Insbesondere in multigenerationel-len Teams heisst das auch: Empathie für unterschiedliche Lebensphasen, Kommu­nikationsstile und Arbeitsverständnisse. Denn Augenhöhe entsteht nicht auto­matisch durch die Abschaffung von Hie­rarchien – sondern durch gegenseitigen Respekt, professionelle Klarheit und eine Führung, die sowohl Orientierung als auch Entwicklung ermöglicht.

PERMA gegen Frost

Hier kommt das PERMA-Modell ins Spiel. Ein Konzept aus der Positiven Psycho­logie, das durch Dr. Markus Ebner seine Adaption in die Führung – PERMA-Lead – neue Impulse gibt. Es setzt auf fünf zen­trale Wirkfaktoren für Vertrauensbasis und Motivation:

Positive Emotionen: Regelmässiges Er­leben positiver Gefühle ist ein wichti­ges Grundbedürfnis für Wohlbefinden und somit für eine zwischenmensch­liche Vertrauensbasis.

Engagement: Die Möglichkeit zur Par­tizipation, eigene Ideen und Meinun­gen einbringen zu können und als Indi­viduum geschätzt zu werden, fördert die Sichtbarkeit.

Relationships (Beziehungen): Ein wei­teres Grundbedürfnis ist es, einge­bunden zu sein in ein soziales Gefüge, darin eine Rolle zu erhalten und diese nach Stärken leben zu können.

Meaning (Sinn): Das Sinnerleben zu fördern hilft, sich verstanden und ge­sehen zu fühlen.

Accomplishment (Zielerreichung): Durch eigenen Einsatz ein Ziel zu er­reichen, ist eminent wichtig für das Wirksamkeitserleben. Wirksamkeit fördert nicht nur die Verbundenheit zur Sache, sondern auch die Verbin­dung zu Mitmenschen, Teammitglie­der und Vorgesetzten.

PERMA-Lead bedeutet, dass Führung nicht nur Leistung und Kontrolle bedeu­tet, sondern dass sie aktiv das psycholo­gische Wohlbefinden sowie die Vertrau­ensbasis der Mitarbeitenden fördert. Und genau hier liegt der Schlüssel für Führung auf Augenhöhe – generationenübergrei-fend. Denn ein Arbeitsumfeld, das Sinn, Engagement und echte Beziehung er­möglicht, verringert Machtdistanz auto­matisch, ohne Hierarchien aufzulösen.

Fazit

Schmilzt also (endlich) die permanent frostige Distanz zwischen Führung und Geführten? Nicht einzig Modelle wie PERMA-Lead, positive Leadership und psychologische Sicherheit entscheiden über die Nivellierung des Machtgefälles. Grundlegend ist das Reflexionsverhal­ten der Vorgesetzten und der Mut, die eigene Rolle konstant infrage stellen zu können. Dafür braucht es entsprechende Gefässe wie beispielsweise Leadership-Workshops und organisationsinterne Dialogfenster. Denn nur wer seine Macht erkennt, diese kritisch hinterleuchtet und mithilfe des eigenen Teams stets neu aus­richtet, kann Mitarbeitende, unabhängig des Alters, zu Höchstleistungen inspirie­ren und aus Machtausübung Ermächti­gung werden lassen. 

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