09. November 2022

Fragen: Wie Fragen beeinflussen

Fragen

Fragen beeinflussen das Gespräch mit ihrem Antwortspektrum und den enthaltenen Vorannahmen mehr, als Sie denken. Wenn Sie wissen, wie Fragen funktionieren, können Sie nicht nur bessere Fragen stellen, sondern auch besser auf Fragen reagieren.

Von: Elfriede Czerny, Dominik Godat  

Elfriede Czerny

Sie ist Coach und Potenzialentwicklerin. Gemeinsam mit Dominik Godat leitet sie das Zent­rum für lösungsfokussierte Führung.

Dominik Godat

Er ist Studienleiter des CAS Coaching als Führungs­kompetenz an der Hochschule Luzern und Buchautor.

Sie nutzen Fragen in Gesprächen, seit Sie sprechen können. «Warum?«, «Wo­für«, «Wie?«, «Wann?«, «Wo?« gehören seit Ihrer Kindheit zu Ihrem Repertoire. Fragen bestimmen nicht nur den Alltag mit, sondern sind auch wichtiger Be­standteil vieler Berufsgruppen. Trotz­dem wissen nur wenige, wie Fragen genau funktionieren. Wenn Sie jedoch wissen, wie Fragen funktionieren, kön­nen Sie bessere Fragen stellen und besser auf gestellte Fragen reagieren.

Fragen formen Antworten

Dan McGee hat sich in seiner Doktor­arbeit intensiv mit Fragen beschäftigt und dabei Fragen analysiert, welche die persönlichen Erfahrungen ins Zen­trum stellen. Er zeigt in zehn Schritten auf, wie solche Fragen das weitere Ge­spräch beeinflussen.

Schritt 1: Fragen benötigen Antwor­ten: Sie können eine Frage, die Ihnen gestellt wird, schlecht ignorieren. Sie sind aufgefordert zu antworten, wenn Sie im Gespräch bleiben wollen. Es überrascht daher wenig, dass die meisten Fragen in Gesprächen beant­wortet werden.

Schritt 2: Die antwortende Person muss der Frage Sinn geben: Wollen Sie die gestellte Frage beantworten, müssen Sie ihr Sinn geben und zum Beispiel fehlende Informationen aus dem bisherigen Gespräch schlussfol­gern. Haben Sie beispielsweise gera­de über den schönen Herbst gespro­chen, bezieht sich die Frage «Warst du im Urlaub?« wahrscheinlich eher auf die Herbstferien als auf die Sommer­ferien.

Schritt 3: Die Frage schränkt die Ant­wortmöglichkeiten auf einen Teilbe­reich der Erfahrungen ein: Fragen kön­nen nicht beliebig beantwortet werden. Das Thema der Antwort oder, wie wir es nennen, das Antwortspektrum wird durch die Frage bestimmt. Werden Sie zum Beispiel gefragt, was Ihnen heu­te gut gelungen ist, sind Sie aufgefor­dert, in diesem Thema zu antworten und diesen Teil Ihrer Erfahrungen zu schildern.

Schritt 4: Um die Frage zu beantwor­ten, muss die antwortende Person ihre Erfahrungen im Moment reflektieren: Die meisten Fragen verlangen, dass die antwortende Person über ihre ge­machten Erfahrungen nachdenkt und im Moment Schlussfolgerungen zieht oder Meinungen dazu abgibt.

Schritt 5: Fragen enthalten Vorannah-men, die von der antwortenden Person normalerweise nicht kommentiert wer­ den: Fragen enthalten Vorannahmen (sprachwissenschaftlich: Präsupposi-tionen), sozusagen unausgesproche­ne Voraussetzungen, die jede Frage mit sich bringt. Die Frage «Was ist Ihr Ziel?« nimmt zum Beispiel an oder setzt voraus, dass Sie ein Ziel haben respektive dieses formulieren können. Die Frage geht auch davon aus, dass Sie nur ein Ziel und nicht mehrere ha­ben. Meistens antworten Personen auf Fragen, ohne die Vorannahmen der Frage zu kommentieren, z.B. mit «Mein Ziel ist ...«

Schritt 6: Enthaltene Vorannahmen können verändert und korrigiert wer­den: Auch wenn die in der Frage enthal­tenen Vorannahmen in der Regel nicht kommentiert werden, können diese verändert und auch korrigiert werden. Sie könnten zum Beispiel die Frage nach dem Ziel kommentieren mit: «Ich habe nicht nur ein Ziel, ich habe meh­rere.« Daraufhin könnte die Person, welche die Frage gestellt hat, die Vorannahmen der Frage korrigieren mit: «Ja, was ich meinte war, was sind Ihre Ziele?» (Vorannahme: Sie haben meh­rere Ziele) oder «Ah okay, und welches ist das wichtigste?» (Vorannahme: Sie können eines bestimmen, welches das wichtigste Ziel ist).

Schritt 7: Wird die Frage beantwortet, so werden die in der Frage enthaltenen Vorannahmen mit der Antwort als ge­meinsame Basis akzeptiert: Antworten Sie zum Beispiel auf die Frage: «Was werden Sie als Nächstes tun?», dann akzeptieren Sie die Vorannahme, dass Sie als Nächstes etwas tun werden. Dies wird dann zusammen mit Ihrer Antwort, zum Beispiel: «Die Person XY anrufen», zu einer gemeinsamen Basis für das weitere Gespräch. Beide Gesprächspartner*innen können sich nun darauf beziehen, dass Sie gesagt haben, dass Sie als Nächstes die Per­son XY anrufen werden.

Schritt 8: Die Antwort ist Teil der Co-Konstruktion im Gespräch: Die oben gemeinsam geschaffene (co-konstruierte) Bedeutung, dass Sie als Nächs­tes die Person XY anrufen werden, ist entstanden durch die Frage: «Was wer­den Sie als Nächstes tun?» und Ihre Antwort: «die Person XY anrufen». Ihre Antwort ist Teil dieser Co-Konstruktion im Gespräch.

Schritt 9: Nachdem die Frage beant­wortet wurde, geht die Initiative zurück zur fragenden Person: Die gegebene Antwort lädt die fragestellende Person ein, darauf zu reagieren. Dies kann sie zum Beispiel tun mit einem Kommen­tar oder einer weiteren Frage.

Schritt 10: Wenn Gespräche fortschrei­ten, wird es zunehmend schwieriger, auf die vorher akzeptierten Vorannahmen einzugehen oder diese zu kor­rigieren: Wenn Sie zum Beispiel die Frage nach Ihrem Ziel beantwortet haben, wird es bei Fortschreiten des Gesprächs schwieriger, sich darauf zu berufen, dass Sie kein Ziel formulieren wollen oder dass Sie mit der Vorannahme, dass Sie ein Ziel hätten, nicht einverstanden sind.

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