20. Juli 2023

Fragen stellen: Wie Fragen beeinflussen

Fragen stellen

Nicht nur mit unserem Zuhören gestalten wir Gespräche mit, auch beeinflussen wir das Gespräch mit unserem Antwortspektrum und den enthaltenen Vorannahmen. Wenn Sie wissen, wie Fragen funktionieren, können Sie nicht nur bessere Fragen stellen, sondern auch besser auf Fragen reagieren.

Von: Dominik Godat  

Dominik Godat

Er ist Studienleiter des CAS Coaching als Führungs­kompetenz an der Hochschule Luzern und Buchautor.

Sie nutzen Fragen in Gesprächen, seit Sie sprechen können. «Warum?», «Wofür», «Wie?», «Wann?», «Wo?» gehören seit Ihrer Kindheit zu Ihrem Repertoire. Fragen bestimmen nicht nur den Alltag mit, sondern sind auch wichtiger Bestandteil vieler Berufsgruppen. Trotzdem wissen nur wenige, wie Fragen genau funktionieren. Wenn Sie jedoch wissen, wie Fragen funktionieren, können Sie bessere Fragen stellen und besser auf gestellte Fragen reagieren.

Fragen formen Antworten

Dan McGee (1999) hat sich in seiner Doktorarbeit intensiv mit Fragen beschäftigt und dabei Fragen analysiert, welche die persönlichen Erfahrungen ins Zentrum stellen. Er zeigt in zehn Schritten auf, wie solche Fragen das weitere Gespräch beeinflussen.

Schritt 1: Fragen benötigen Antworten: Sie können eine Frage, die Ihnen gestellt wird, schlecht ignorieren. Sie sind aufgefordert zu antworten, wenn Sie im Gespräch bleiben wollen. Es überrascht daher wenig, dass die meisten Fragen in Gesprächen beantwortet werden.

Schritt 2: Die antwortende Person muss der Frage Sinn geben: Wollen Sie die gestellte Frage beantworten, müssen Sie ihr Sinn geben und zum Beispiel fehlende Informationen aus dem bisherigen Gespräch schlussfolgern. Haben Sie beispielsweise gerade über den schönen Herbst gesprochen, bezieht sich die Frage «Warst du im Urlaub?» wahrscheinlich eher auf die Herbstferien als auf die Sommerferien.

Schritt 3: Die Frage schränkt die Antwortmöglichkeiten auf einen Teilbereich der Erfahrungen ein: Fragen können nicht beliebig beantwortet werden. Das Thema der Antwort oder, wie wir es nennen (Godat/Czerny, 2022), das Antwortspektrum wird durch die Frage bestimmt. Werden Sie zum Beispiel gefragt, was Ihnen heute gut gelungen ist, sind Sie aufgefordert, in diesem Thema zu antworten und diesen Teil Ihrer Erfahrungen zu schildern.

Schritt 4: Um die Frage zu beantworten, muss die antwortende Person ihre Erfahrungen im Moment reflektieren: Die meisten Fragen verlangen, dass die antwortende Person über ihre gemachten Erfahrungen nachdenkt und im Moment Schlussfolgerungen zieht oder Meinungen dazu abgibt.

Schritt 5: Fragen enthalten Vorannahmen, die von der antwortenden Person normalerweise nicht kommentiert werden: Fragen enthalten Vorannahmen (sprachwissenschaftlich: Präsuppositionen), sozusagen unausgesprochene Voraussetzungen, die jede Frage mit sich bringt. Die Frage «Was ist Ihr Ziel?» nimmt zum Beispiel an oder setzt voraus, dass Sie ein Ziel haben respektive dieses formulieren können. Die Frage geht auch davon aus, dass Sie nur ein Ziel und nicht mehrere haben. Meistens antworten Personen auf Fragen, ohne die Vorannahmen der Frage zu kommentieren, zum Beispiel mit «Mein Ziel ist ...».

Schritt 6: Enthaltene Vorannahmen können verändert und korrigiert werden: Auch wenn die in der Frage enthaltenen Vorannahmen in der Regel nicht kommentiert werden, können diese verändert und auch korrigiert werden. Sie könnten zum Beispiel die Frage nach dem Ziel kommentieren mit: «Ich habe nicht nur ein Ziel, ich habe mehrere.» Daraufhin könnte die Person, welche die Frage gestellt hat, die Vorannahmen der Frage korrigieren mit: «Ja, was ich meinte, war, was sind Ihre Ziele?» (Vorannahme: Sie haben mehrere Ziele) oder «Ah okay, und welches ist das wichtigste?» (Vorannahme: Sie können eines bestimmen, welches das wichtigste Ziel ist).

Schritt 7: Wird die Frage beantwortet, so werden die in der Frage enthaltenen Vorannahmen mit der Antwort als gemeinsame Basis akzeptiert: Antworten Sie zum Beispiel auf die
Frage: «Was werden Sie als Nächstes tun?», dann akzeptieren Sie die Vorannahme, dass Sie als Nächstes etwas tun werden. Dies wird dann zusammen mit Ihrer Antwort, zum Beispiel: «Die Person XY anrufen», zu einer gemeinsamen Basis für das weitere Gespräch. Beide Gesprächspartner*innen können sich nun darauf beziehen, dass Sie gesagt haben, dass Sie als Nächstes die Person XY anrufen werden.

Schritt 8: Die Antwort ist Teil der Co-Konstruktion im Gespräch: Die oben gemeinsam geschaffene (co-konstruierte) Bedeutung, dass Sie als Nächstes die Person XY anrufen werden, ist entstanden durch die Frage: «Was werden Sie als Nächstes tun?», und Ihre Antwort: «Die Person XY anrufen». Ihre Antwort ist Teil dieser Co-Konstruktion im Gespräch.

Schritt 9: Nachdem die Frage beantwortet wurde, geht die Initiative zurück zur fragenden Person: Die gegebene Antwort lädt die fragestellende Person ein, darauf zu reagieren. Dies kann sie zum Beispiel tun mit einem Kommentar oder einer weiteren Frage.

Schritt 10: Wenn Gespräche fortschreiten, wird es zunehmend schwieriger, auf die vorher akzeptierten Vorannahmen einzugehen oder diese zu korrigieren: Wenn Sie zum Beispiel die Frage nach Ihrem Ziel beantwortet haben, wird es bei Fortschreiten des Gesprächs schwieriger, sich darauf zu berufen, dass Sie kein Ziel formulieren wollen oder dass Sie mit der Vorannahme, dass Sie ein Ziel hätten, nicht einverstanden sind.

Antwortspektrum und Vorannahmen erkennen und reagieren

Fragen beeinflussen das Gespräch vorwiegend über das Antwortspektrum (Schritt 3: Auf welches Thema schränkt die entsprechende Frage ein?) und die enthaltenen Vorannahmen (Schritte 5–7 und 10: Welche Voraussetzungen werden als gegeben angenommen und im Gespräch akzeptiert?).

Wurden die in der Frage enthaltenen Vorannahmen durch die Antwort akzeptiert, wird es zunehmend schwieriger, diese bei Fortschreiten des Gesprächs zu korrigieren. Deshalb lohnt es sich, wenn Sie eine Frage hören, kurz innezuhalten und zu prüfen, ob

  • das Thema, über das Sie gefragt werden, sowie
  • die Vorannahmen, die unterstellt werden,

Ihren Annahmen, Einstellungen und Werten entsprechen.

Trifft dies nicht zu, sind Sie aufgefordert, dies noch vor der Beantwortung der entsprechenden Frage zu kommentieren. Beantworten Sie die Frage, ohne das Antwortspektrum oder die Vorannahmen zu kommentieren, akzeptieren Sie diese durch Ihre Antwort. Zudem lohnt es sich, die eigenen Fragen laufend auf die enthaltenen Vorannahmen zu prüfen.

Wir glauben aus Erfahrung daran, dass es sich lohnt, darauf zu schauen, was gewollt ist, und das zu verstärken, was bereits in diese Richtung geht, anstatt Ursachen zu analysieren. Dies führt zu Fragen, die annehmen, dass ganz viel bereits funktioniert. Anstatt «Was läuft alles schief?» oder «Wer hat Schuld?», fragen wir lieber «Was möchten Sie anstatt?», «Was tun Sie bereits, das in diese Richtung geht?» oder «Woran könnten Sie erkennen, dass Sie einen Schritt weiter sind?». Und wir reagieren auf Fragen nach Ursachen meistens mit Kommentaren, dass wir es sinnvoller fänden, über das zu sprechen, was die Person möchte oder bereits in die richtige Richtung geht.

Fragen beeinflussen das Gespräch mit ihrem Antwortspektrum und den enthaltenen Vorannahmen mehr, als Sie denken. Wenn Sie wissen, wie Fragen funktionieren, können Sie nicht nur bessere Fragen mit sinnvolleren Vorannahmen stellen, sondern auch besser darauf reagieren, wenn sich die Vorannahmen nicht mit Ihren eigenen Werten decken.

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