04. Dezember 2023

Einfache Komplexität: Gestalten Sie alles einfacher!

Einfache Komplexität

Die Welt ist komplex. Viele Faktoren beeinflussen sich gegenseitig. So sehr wir uns auch bemühen, komplexe Zusammenhänge können wir nicht erfassen. Was für einige auf den ersten Blick beängstigend scheint, kann auch befreiend sein.

Von: Elfriede Czerny  

Elfriede Czerny

Sie ist Coach und Potenzialentwicklerin. Gemeinsam mit Dominik Godat leitet sie das Zent­rum für lösungsfokussierte Führung.

Die Sichtweise, dass die Welt komplex ist, hat sich in den letzten drei Jahr­zehnten mehr und mehr etabliert. Es scheint akzeptiert, dass wir in einer VUCA-Welt leben, die volatil (Volatility), unsicher (Uncertainty), komplex (Complexity) und mehrdeutig (Ambiguity) ist. Vieles hängt mit vielem zusammen. Dies zeigt sich in zahlreichen Berei­chen des Lebens, in denen es keine einfachen Zusammenhänge mehr gibt. Wird in einem Bereich etwas verän­dert, wirkt dies auf andere Bereiche. So kann eine kleine Veränderung viel­schichtige Auswirkungen haben. Und eine Veränderung, die eigentlich gut gemeint ist, kann plötzlich zu negativen Ergebnissen an anderer Stelle führen. 

Linearität = etwas beeinflusst etwas anderes

Früher schien die Welt berechenbarer zu funktionieren. Davon zeugen Kon­zepte, die von Ursache-Wirkungs-Prinzipien ausgehen. Die Idee einer linea­ren, kausalen Welt, in der eine Ursache eine Wirkung hat respektive in der ein Ergebnis mit einem Ursache-Wirkungs-Prinzip erklärt werden kann, funktio­niert je länger, desto weniger. Während es ohne Zweifel einfache Ursache-Wir-kungs-Prinzipien gibt, zum Beispiel bei der Toilettenspülung, bei der Zündung beim Auto oder generell bei Maschinen, bei denen durch den gleichen Input im­mer derselbe Output entsteht, ist dies bei sozialen Prozessen, menschlichem Verhalten, Kommunikation, globalen Märkten und Ähnlichem nicht der Fall. Diese Situationen zeichnen sich da­ durch aus, dass sie eben nicht linear, sondern komplex sind.

Linearität = Ursache und Wirkung 

Bei linearen Zusammenhängen kön­nen wir gut nachvollziehen, was pas­siert: Wenn Sie zum Beispiel auf dem Fahrrad in die Pedale treten (Ursache), dann dreht sich der vordere Zahnkranz (Wirkung und nächste Ursache), der die Kette in Bewegung versetzt (Wir­kung und nächste Ursache), welche den hinteren Zahnkranz dreht (Wirkung und nächste Ursache), welcher das Rad in Bewegung versetzt (Wirkung). Wir können nachvollziehen, welche Ur­sache welche Wirkung erzeugt und wie der Prozess genau verläuft. 

Komplexität = vieles beeinflusst vieles wechselseitig

Auch wenn Linearität in einigen Berei­chen gegeben ist, funktionieren Men­schen und das soziale Zusammenle­ben nicht so eindimensional. Beides und noch vieles mehr in unserem Leben ist komplex und zeichnet sich durch miteinander verflochtene, ineinandergreifende Aspekte aus, die oft auf unvorhersehbare Weise miteinan­der interagieren. Die Zusammenhänge sind nicht mehr erfassbar, da viele As­pekte andere wechselseitig beeinflus­sen und wiederum davon beeinflusst werden. 

Dies ist bei allem so, was Sie in Ihrem Leben machen. Wenn Sie sich nach dem «Warum?» fragen, können Sie immer eine unendlich grosse Anzahl von Elementen aufzählen, die sich ge­genseitig beeinflussen und alle dazu beitragen, dass Sie genau jetzt zu der Zeit da sind und genau das machen, was Sie jetzt machen. Einen einzigen Grund gibt es nicht. Auch wenn wir oft so tun, als gäbe es diesen.

Kompliziert ist nicht das Gleiche

Wenn Mechanismen unübersichtlich sind, dann wird oft das Wort kompli­ziert verwendet. Doch dies ist nicht das Gleiche wie komplex. Während komplexe Situationen nicht vollstän­dig erfassbar sind, sind komplizierte Mechanismen nicht so einfach zu erfassen oder zu verstehen. Es gibt viele Dinge, die kompliziert, aber nicht unbedingt komplex sind, wie zum Beispiel ein sehr detailliertes Computerprogramm oder ein kom­pliziertes Uhrwerk. Auch wenn es schwierig ist, ist es bei komplizier­ten Mechanismen generell möglich, die Ursache-Wirkungs-Mechanismen nachzuvollziehen.

Komplexität vereinfacht!

Bei komplexen Situationen ergibt es wenig Sinn, den Wirkmechanismen nachzugehen. Denn wenn sie vollstän­dig erfassbar wären, dann wäre die Si­tuation eben nicht komplex.

Trotzdem gibt es Versuche, komple­xe Sachverhalte mit mathematischen Modellen zu beschreiben und bere­chenbar zu machen. Doch auch das stellt lediglich eine Annäherung dar. Die besten Beispiele sind wohl die Wettervorhersage oder ökonomische Modelle.

Auch im Alltag sind viele versucht, kom­plexe Situationen erfassen und verste­hen zu wollen. Dies geschieht vorwie­gend mit «Warum»-Fragen. Warum hat sich Person X so verhalten? Weshalb ist die Situation wieder eskaliert? Wie­so agieren meine Arbeitskolleg*innen nicht anders? Dies macht das Leben aus unserer Sicht unnötig schwierig. Denn wenn wir die Komplexität nicht erfassen können, dann ist der Versuch zum Scheitern verurteilt.

Dieser Gedanke ist für einige Men­schen beängstigend. Zu gerne würden sie die Welt in all ihren Facetten er­klären und verstehen und damit auch beherrsch- und berechenbar machen. Immer mehr zeigt sich jedoch, dass das in vielen Bereichen nicht möglich ist. Für uns ist dies eine beruhigende und vereinfachende Sichtweise. Denn wenn wir komplexe Situationen nicht erfassen können, brauchen wir es gar nicht zu versuchen.

Das heisst jedoch nicht, dass wir der Welt hilflos ausgeliefert sind. Wir kön­nen uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können, und schauen, was geschieht. Geht etwas in die ge­wünschte Richtung, dann machen wir mehr davon. Wenn nicht, machen wir etwas anderes. Ganz simpel.

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