05. Januar 2023

Verantwortung und Vertrauen: Die zentralen Werte im Zusammenleben

Verantwortung und Vertrauen

Vertrauen und Verantwortung – diese beiden Werte fassen das zusammen, was unser Klima und die Atmosphäre im Zusammenleben zentral bestimmt: eine Umgebung, in der wir uns wohlfühlen und als Gruppe oder Familie zusammenhalten, in der aber auch jede und jeder Einzelne eine hohe Selbstwirksamkeit hat.

Von: Corinne Jaeggi  

Corinne Jaeggi

Buchhändlerin, Sozialpädagogin, Coach und Dozentin für Führungskräfte.

Das Verständnis von Verantwortung und Vertrauen hat sich im 20. Jahr­hundert stark gewandelt. In unserer heutigen Lebensform hat sich die gegen seitige Anerkennung und Wert­schätzung des Menschen verbunden mit der Achtung seiner Rechte und seiner Würde herausgebildet. Verant­wortung und Vertrauen sind zentrale Werte für die heutige Gesellschaft. In der Familie bedeuten die Werte Verant­wortung und Vertrauen eine förderliche und ermutigende Haltung der Eltern ge­genüber den Kindern. Albert Schweit­zer (1875–1965) hat mit seiner Formel «Ehrfurcht vor dem Leben» den Verant­wortungsbegriff berühmt gemacht. Er entwickelte eine Grundhaltung, die zu einer neuen Einstellung im Leben führ­te. Diese führte wiederum zur «Verant­wortung gegenüber allem, was lebt». Wenn sich der Mensch mit allem Le­ben verbunden fühlt, fühlt er sich auch für alles Leben verantwortlich

Wohlwollendes Zusammenleben heisst, Verantwortung zu über­nehmen und in gegenseitiges Vertrauen zu investieren

Wo Menschen verantwortlich denken und handeln, hinterfragen sie nicht nur die Folgen ihres Handelns, sondern viel umfassender, was in einer Situa­tion erforderlich ist.

Zum Beispiel welche Aufgaben zu bewältigen, welche Interessen und Bedürfnisse insgesamt zu berück­sichtigen sind, wie eine gute Lösung aussehen und wer diese Aufgabe und die Verantwortung dafür übernehmen könnte. Verantwortliches Denken und Handeln drückt das Wahrnehmen von Zusammenhängen aus und beinhaltet den Dreh von Perspektiven, von Blick­winkeln und Blickrichtungen.

Vertrauen in sich selbst und in andere Menschen

Sie vertrauen sich selbst, wenn Sie davon ausgehen, dass Sie alles so schaffen können, wie Sie sich das vor­genommen haben oder wie Sie das wollen. Vertrauen ist die Fähigkeit, eine Bindung einzugehen und an einen Menschen zu glauben. Es birgt in sich die Absichtslosigkeit, die Offenheit und Akzeptanz wie auch die Toleranz ande­ren Menschen gegenüber. Als Vertrau­ende gebe ich Kontrolle ab und habe keinen Einfluss auf das, was passiert. Ich kann nur annehmen, dass alles in meinem Sinne geschieht. Vertrauen ist also auch ein mutiges Gefühl. Ver­trauen fühlt sich warm und zuversicht­lich an. Es ist ein Gefühl, das Harmo­nie und Friede in mir schafft. In Zeiten des Umbruchs oder der Krise braucht es ein Klima von Vertrauen.

Grundsätzlich gilt: Bevor ich anderen Vertrauen schenke oder mich sogar selbst zu jemandem entwickle, dem andere vertrauen, benötige ich Selbst­vertrauen, also Vertrauen in mich selbst.

Beispiel: Klettern als Training für Verantwortung und (Selbst-)Vertrauen

In nur wenigen Situationen werden die Themen Vertrauen und Verantwortung so unmittelbar spür- und greifbar wie im Klettersport. Ob im Team, im Kollegium oder als Workshop auf der Führungsebene: Ein Tag am Fels oder an der Kletterwand prägt die Erfahrung mit Verantwortung und Vertrauen nachhaltig. Schauen Sie sich das Bild an: Die eine Person sichert, die andere klettert. Die kletternde Person
kann dies nur tun, weil sie davon ausgeht, dass die andere ihr Bestes gibt, sie achtsam und verantwortungsvoll sichert. Sie kann vertrauen und wählt gewissermassen den Mittelweg zwischen Sicherheit und Unsicherheit. Sie riskiert etwas. Sie überwindet ihre Angst. Denn jede Handlung des Vertrauens birgt ja auch ein Risiko in sich. Es kann ein Weg sein, sich der eigenen Unsicherheit zu stellen, ohne sich von ihr vereinnahmen zu lassen. Das Klettern kann Ihnen aufzeigen (oder auch andere, ähnliche herausfordernde Aktivitäten), wo und wie Sie gerade im Leben stehen und wie vertrauensvoll Sie Ihren Weg gehen können. Klettern stärkt nicht nur Muskeln, sondern das Verantwortungsgefühl wie auch das Vertrauen und ist ein gutes Übungsfeld, sich auch ausserhalb der Komfortzone beweisen zu können.

Komfortzone verlassen

Wie bereit sind Sie, sich der Verletz­barkeit oder Ihren Ängsten zu stellen? Wann verlassen Sie Ihre Komfortzone? Wie gelingt es Ihnen, Verantwortung für Ihr Vertrauen in die Mitmenschen zu übernehmen?

Es ist wichtig, dieses Risiko auch im Arbeitskontext einzugehen, sagen viele Hirnforscher. Vertrauen ist eine Emo­tion und immerzu präsent. In Bezie­hungen zu Kolleginnen, Kollegen und Bekannten versuchen wir, Vertrauen zu «gewinnen», wir wollen es nicht «verlie­ren» oder «brechen». Es fühlt sich an wie ein Schatz, den es zu bewahren und zu mehren gilt. Es ist durchaus ein Schatz, denn es ermöglicht Einzelnen, stärker zu sein, als sie es allein wären. Vertrauen führt Menschen zusammen. Es ist, als wohne diesem Gefühl eine kreativ stiftende Kraft inne. Aber: Wer vertraut, der entscheidet sich auch (un-)bewusst dafür, sich verletzbar zu machen, und übernimmt Verantwor­tung für sich selbst, für sein Tun und Handeln.

Verantwortung und Vertrauen in der Familie

Die eigenen Vorstellungen davon, was «gute Eltern» sind, können im Alltag nicht immer restlos umgesetzt wer­den. Eltern müssen nicht perfekt sein, ihr Erziehungsverhalten hat immer ent­wicklungsfördernde und entwicklungs­hemmende Teile. Das zu akzeptieren, kann Eltern vor der eigenen Überforde­rung entlasten.

Wenn Eltern sich selbst annehmen und respektieren, wie sie sind, und schauen, dass es ihnen selbst gut geht, wenn sie Vertrauen in die eige­nen Fähigkeiten haben und wissen, dass Konflikte und Streit zum Leben dazugehören, wenn sie Verantwortung für die eigenen Gefühle übernehmen, auch mal über sich selbst lachen und sich Fehler eingestehen können, dann wirkt sich das entwicklungsfördernd auf das Kind aus.

Auswirkungen auf das Kind

Wenn einem Kind mit der beschriebe­nen Haltung begegnet wird, kann es lernen, dass es ein wichtiges Mitglied der Familie ist, das geliebt und ange­nommen wird – genau so, wie es ist. Es darf für sich selbst sprechen und kann so Einfluss auf sein Leben nehmen, weil seine Meinung und seine Rech­te wichtig sind und es lernt, dass es gleichzeitig auch Pflichten hat und sei­nem Alter entsprechend Verantwortung übernehmen kann. Das Kind entwickelt so Selbstvertrauen und traut sich Neu­es zu, weil es weiss: «Ich darf Fehler machen und muss nicht perfekt sein.»

Verantwortung und Vertrauen als wichtiges Fundament einer wohlwollenden Gesellschaft

Eine wohlwollende, friedvolle Gesell­schaft schafft eine starke Verbun­denheit der Menschen untereinander. Verantwortung dafür zu übernehmen heisst auch, sich und den Mitmen­schen Fragen zu stellen, sie zu disku­tieren und miteinander zu verhandeln:

  • Wo sehen wir beim Zusammenleben in einer bunten und vielfältigen Ge­sellschaft Herausforderungen, und wie können wir sie lösen?
  • Welche Vorschläge haben wir, damit unser Zusammenleben besser ge­lingt und von allen mitgestaltet wer­den kann?
  • Was braucht jeder Einzelne, um zu einem wohlwollenden Miteinander beitragen zu können?

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