06. November 2025

Sicherheit: Wenn es nicht nach Plan läuft

Sicherheit

Noch nie war unser Leben so sicher wie heute – und doch fühlt es sich oft nicht so an. Zwischen gefühlter Unsicherheit und Sicherheit eröffnet sich ein spannender Raum für persönliche Entwicklung.

Von: Elfriede Czerny, Dominik Godat  

Elfriede Czerny

Sie ist Coach und Potenzialentwicklerin. Gemeinsam mit Dominik Godat leitet sie das Zent­rum für lösungsfokussierte Führung.

Dominik Godat

Er ist Studienleiter des CAS Coaching als Führungs­kompetenz an der Hochschule Luzern und Buchautor.

Unsere Häuser sind stabil gebaut, un­sere Strassen sicher, unsere Gesund­heitsversorgung umfassender denn je. Die Wahrscheinlichkeit, an Hunger, Ge­walt oder Krieg zu sterben, war noch nie so gering wie in unserer Gegenwart. Historiker*innen, Statistiker*innen und Zukunftsforscher*innen sind sich ei­nig: Wir leben – global gesehen – in einer Ära historisch hoher Sicherheit.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt:

  • Die weltweite Kindersterblichkeit ist drastisch gesunken.

  • Medizinische Fortschritte ermögli­chen Frühdiagnosen und lebensret­tende Therapien.

  • Verkehrsunfälle fordern heute weni­ger Todesopfer als noch vor wenigen Jahrzehnten.

  • Frühwarnsysteme und Katastrophen­schutz verringern die Folgen von Natur ereignissen.

  • Kriminalitätsraten sind in vielen Län­dern rückläufig.

  • Die Wahrscheinlichkeit, durch Krieg oder gezielte Gewalttaten getötet zu werden, ist im historischen Vergleich stark gesunken.

Und doch ist da dieses diffuse Gefühl: Irgendetwas könnte passieren. Die Frage ist nicht nur, wie sicher wir ob­jektiv leben – sondern auch, wie sicher wir uns fühlen.

Die Lücke zwischen realer und gefühlter Sicherheit

Ein Teil der Erklärung liegt in der stän­digen Verfügbarkeit von Informationen. Gefahren aus aller Welt erreichen uns in Echtzeit. Was früher weit weg ge­schah, ist heute in Sekundenschnelle auf unseren Bildschirmen präsent – oft emotional zugespitzt, ohne Einord­nung.

Wir reagieren stark auf Geschichten, weniger auf Wahrscheinlichkeiten. Eine einzige Schlagzeile kann das Gefühl völliger Unsicherheit auslösen – selbst wenn sich statistisch nichts verändert hat.

Auch der ständige Wandel unserer Lebenswelt trägt dazu bei. Techno­logischer Fortschritt, wirtschaftliche Umbrüche, geopolitische Spannungen: Was heute stabil scheint, kann morgen schon ins Wanken geraten. Sicherheit fühlt sich in einer beschleunigten Welt oft wie ein trügerisches Versprechen an.

Psychologische Sicherheit – ein unterschätzter Faktor

Sicherheit ist mehr als Schutz vor Gefahren – sie ist auch das Vertrau­en, gehört zu werden, Fehler zeigen zu dürfen und sich zeigen zu können. In Teams spricht man von psycho­logischer Sicherheit, wenn Menschen offen sprechen, Fragen stellen und Verantwortung übernehmen, ohne sich bedroht zu fühlen.

Gerade in der Arbeitswelt zeigt sich: Diese Form von Sicherheit ist entschei­dend für Kreativität, Motivation und Entwicklung – aber sie entsteht nicht durch Strukturen allein. Sie wächst in Beziehungen, in kleinen Gesten des Respekts, im Raum für Mitgestaltung. Sie kann wachsen, wo Menschen sich zuhören, aufeinander reagieren und gemeinsame Verantwortung leben.

Sicherheit im digitalen Zeitalter

In digitalen Kontexten verschiebt sich das Thema Sicherheit: Daten, Algorith­men, künstliche Intelligenz – was be­deutet Kontrolle, wenn vieles automa­tisiert geschieht? Der Schutz unserer Informationen wird zur Vertrauensfra­ge. Sicherheit entsteht nicht nur durch Verschlüsselung, sondern auch durch Transparenz und bewusste Gestaltung digitaler Räume.

Zugleich wird deutlich: Sicherheit in di­gitalen Systemen schützt nicht nur vor Datenmissbrauch, sondern auch vor Erschöpfung. Wer ständig erreichbar ist, braucht neue Formen von Grenz­setzung und innerer Klarheit.

Gesundheitsförderung als Beitrag zu Sicherheit

Sicherheit wird zunehmend ganzheit­lich verstanden – auch als Zugang zu Gesundheitsversorgung, psychischem Wohlbefinden, Bewegung, Ernährung und sozialem Rückhalt. Organisatio­nen, die Gesundheit fördern, schaffen gleichzeitig Sicherheit: für den Körper, den Geist – und für die persönliche Entfaltung.

Gerade im Umgang mit psychischer Belastung wird deutlich, wie eng Si­cherheit mit Sprache, Haltung und Gemeinschaft verwoben ist. Wer sich gesehen und verstanden fühlt, kann sich entspannen. Wer weiss, wo Un­terstützung zu finden ist, erlebt mehr Spielraum im Denken und Handeln.

Ambivalenz: Freiheit und Sicherheit

Viele Menschen spüren eine Span­nung zwischen dem Wunsch nach Sicherheit und dem Bedürfnis nach Freiheit. Zu viel Sicherheit kann sich einengend anfühlen – zu viel Freiheit überfordernd. Diese Ambivalenz ist kein Widerspruch, sondern ein frucht­bares Spannungsfeld, in dem Ent­wicklung möglich wird. Persönliche Si­cherheit kann gerade dann wachsen, wenn wir uns in geschütztem Rahmen mit dem Ungewissen vertraut ma­chen.

Sicherheit in Übergängen

Besonders deutlich wird das Thema Sicherheit in Zeiten des Übergangs: beim Jobwechsel, nach einem Ver­lust, in Lebensphasen des Umbruchs. Übergänge sind Zonen erhöhter Unsi­cherheit – und gleichzeitig voller Mög­lichkeiten. Wer Übergänge gestalten kann, ohne Halt zu verlieren, entwi­ckelt oft eine tiefere Form von innerer Sicherheit.

Hier zeigt sich: Sicherheit ist nicht das Gegenteil von Risiko – sondern die Fä­higkeit, mit Risiko umzugehen. Sie ent­steht, wo Menschen Vertrauen in sich und andere entwickeln, wo sie erleben, dass sie in schwierigen Situationen nicht allein sind. Vielleicht beginnt Si­cherheit nicht dort, wo wir keine Angst mehr haben – sondern dort, wo wir inmitten der Unsicherheit miteinander weitergehen.

Sprache, Beziehung und innere Sicherheit

Auch unsere Sprache trägt zur (Un­) Sicherheit bei. Ob wir von Bedrohung oder Herausforderung sprechen, von Kontrolle oder Orientierung, kann be­einflussen, wie wir Situationen erle­ben. Wer sich in der Sprache anderer wiederfindet, wer Resonanz erfährt, wer gehört wird – der fühlt sich siche­rer. Deshalb ist Sicherheit immer auch ein Beziehungsthema.

Persönlichkeitsentwicklung – ein Weg zu mehr Sicherheit

Inmitten von Unsicherheit kann Per­sönlichkeitsentwicklung Halt geben – nicht durch Kontrolle, sondern durch Orientierung. Wer sich selbst besser kennt, wer weiss, was trägt und was stärkt, entwickelt Resilienz. Wer seine Werte kennt, kann auch im Sturm Kurs halten. Sicherheit wird so nicht zur Be­dingung für Entwicklung, sondern zur Folge davon.

Was gibt Ihnen – gerade heute – ein Ge­fühl von Sicherheit? Und wie könnten Sie dieses Gefühl auch anderen ermög­lichen?

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