25. Mai 2022

Flexibilität: Das Fundament für ein selbstbestimmtes Leben

Flexibilität

Wir setzen uns unter den ständig stärker werdenden Druck, allen Anforderungen gerecht zu werden. Flexibilität scheint uns da wie ein Wundermittel, denn der Prototyp des flexiblen Menschen ist einer, der jederzeit bereit ist, in neue Aufgaben zu springen, der weder räumlich, noch zeitlich, noch kräftemässig eingeschränkt ist, sondern der sich auf alles einstellen kann, was von ihm gefordert wird.

Von: Tania Konnerth  

Tania Konnerth

Tania Konnerth ist Autorin und Schriftstellerin. Sie hat unter anderem Gesellschafts- und Wirtschaftkommunikation in Berlin studiert und ist Mitbegründerin des grossen Online-Ratgebers www.zeitzuleben.de, für den sie bis 2011 arbeitete. Sie hat diverse Bücher und Fachartikel publiziert und arbeitete auch erfolgreich als freie Trainerin für Denk- und Kreativitätstechniken. In der Wissensvermittlung legt sie viel Wert auf den Praxisnutzen und darauf, zur Selbstreflexion anzuregen. Techniken allein helfen oft nicht weiter, sondern sie müssen zur jeweiligen Persönlichkeit und Lebensführung passen, um wirkungsvoll sein zu können.

Wenn wir aber ehrlich sind, ist klar, dass dieses Bild unerreichbar ist. Genau so wird Flexibilität gründ­lich missverstanden und führt über kurz oder lang in den Burn-out. Flexibilität als Fähigkeit kann uns nicht zu Übermenschen machen. Wenn wir zu viel leisten wollen, nützt auch alle Flexibilität nichts, irgendwann kommen wir an unsere Grenzen.

Mitten in einem Spannungsfeld

Mit dem Anspruch, flexibel zu sein, bewegen wir uns also in einem Spannungsfeld aus Anforde­rungen und Möglichkeiten. Auf der einen Seite steht das, was von uns gefordert wird (bzw. wir von uns selbst fordern) und auf der anderen das, was wir leisten und geben können und wollen. Und da kommt es unweigerlich zu Konflikten. Der Anspruch, beruflich immer und jederzeit flexibel zu sein, führt sehr oft dazu, dass private Pläne und Vorhaben zurückstecken müssen. Der ständig zunehmende Leistungsdruck führt zu fehlenden Ruheinseln. Unsere manchmal ins Unermessliche steigenden Ansprüche lassen uns zu Getriebenen werden. Für eine gewisse Zeit können wir dem gerecht werden, wer sich aber ständig überfordert, wird nicht nur unzufrieden werden, sondern über kurz oder lang ausbrennen.

Übung - Reflexionsfragen

  • Wie hoch ist der Preis, den ich für meine Flexibilität bezahle?
  • Was muss ich aufgeben, um beweglicher zu sein?
  • Will ich das?
  • Was ist mir in meinem Leben wichtig, das ich nicht opfern will, um äussere Anforderungen zu erfüllen?
  • Was brauche ich, um immer wieder meine innere Mitte zu finden, gerade dann, wenn das Aussen viel von mir fordert?

Zu flexibel ist auch nicht gut

Gerade weil Flexibilität als Erfolgsfaktor gefeiert wird, neigen viele Menschen dazu, Veränderungen um jeden Preis anzustreben. Eine unreflektierte Flexibilität kann aber regelrecht erfolgsverhindernd sein, dann nämlich, wenn Gutes leichtfertig «verschlimmbessert» wird und wenn solider Bestand zugunsten von flüchtigen Modeerscheinungen aufgegeben wird. Erst hinterher begreift man dann, was man zerstört hat. Auch was die eigene Persönlichkeit angeht, ist es kein erstrebenswertes Ziel, alles auf Flexibilität zu setzen. Damit scheitern Sie spätestens dann, wenn Eigenschaften wie Willens­kraft, Durchsetzungsvermögen und Engagement gebraucht werden. Manchmal geht es tatsächlich darum, unflexibel zu sein, denn wer zu anpassungsfähig ist, dem fehlt oft der Biss oder auch das nötige Mass an Durchhaltevermögen.

Übung - Reflexionsfragen

  • Was ist in dieser Situation/Phase wirklich wichtig: Beharrlichkeit oder Umdenken?
  • Besteht in diesem speziellen Fall eine Aussicht auf Erfolg darin, den eigenen Standpunkt zu verteidigen oder ist es besser, andere Denkansätze zuzulassen?
  • Was sagt mein Kopf und was mein Bauchgefühl?

Wichtig: Wie so oft ist das Mass der Dinge entscheidend und ein gutes Einschätzungsvermögen darüber, wann Flexibilität und wann Standfestigkeit angesagt ist.

Flexibilität heisst Wahlmöglichkeiten zu finden

Ich schlage Ihnen folgende Definition vor:

Flexibilität ist die Fähigkeit, Wahlmöglichkeiten zu entdecken und diese bedarfsgerecht zu nutzen.

Wenn Sie Flexibilität auf diese Weise verstehen, dann fällt der Zwang zur ständigen (und oft willkürli­chen) Veränderungsbereitschaft weg und Sie erhalten das, was so kostbar ist: nämlich Wahloptionen und Gestaltungsmöglichkeiten. Wer nicht nur den einen Weg direkt vor der Nase sieht, sondern möglichst viele, kann bewusster entscheiden, welcher der sinnvollste und beste ist. Das kann, je nach Situation, der herkömmliche sein, aber auch ein ganz neuer.

Flexibilität als Erfolgseigenschaft hat also sehr viel mit der Fähigkeit zu tun, flexibel, also in Möglich­keiten, denken zu können. Und das Denken in Möglichkeiten wiederum ist a) eine Einstellungssache und b) eine Fähigkeit, die sich erlernen und trainieren lässt.

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