Fachkräfte, die aufgrund hoher fachlicher Kompetenzen befördert wurden, müssen jedoch zwei wichtige Aufgaben wahrnehmen:
1. den Gesamt-Output des Teams durch persönlichen Einsatz sicherzustellen
2. die Qualität des Outputs zu überwachen
Reaktive Führung oder heroisch-reaktiver Defizit-Ausgleich-Führungsstil
Das führt oft zu einem Führungsstil, den man auch den heroisch-reaktiven Defizit-Ausgleich-Führungsstil nennen kann.
- Bringen einzelne Teammitglieder ihre Leistung vorübergehend nicht, springt der Chef in die Bresche und bessert nach.
- Kommt jemand mit einer komplexeren Aufgabe nicht klar, übernimmt die Chefin den Task, denn es eilt ja (und selber machen geht schneller als viel erklären zu wollen)
- Gibt es mal überraschend übermässig viel Arbeit, bleibt der Chef halt länger.
- Fehlt eine Arbeitskraft wegen Krankheit oder Urlaub, versucht die Chefin so gut es geht, deren Job noch mitzumachen.
- Gibt es in der Gruppe jemand hoch Fähigen und hoch Engagierten, nimmt man das freudig zur Kenntnis, ist froh dass man ihn hat und kümmert sich nicht weiter um ihn.
Darin liegt (je nach Mitarbeitertyp) auch eine Versuchung für die Mitarbeiter:
- Finde ich eine Arbeit zu kompliziert (oder zu langweilig), delegiere ich sie mit zwei, drei Sätzen an die Chefin zurück ("Chefin, ich komme da überhaupt nicht draus, könntest Du mal …")
- Unattraktives kann auch mal liegen bleiben, denn da ist ja am Ende immer noch der Chef, der hinterherräumt und es schon richten wird.
- Der Lernprozess der Mitarbeiter wird tendenziell verlangsamt.
Der bevorzugte Arbeitsmodus bei diesem Führungsverständnis ist "Feuerwehr beim Löscheinsatz": immer reaktiv, immer unter hohem Zeitdruck.
Das Heroische daran ist das tolle Gefühl, wirklich gebraucht zu werden, fachlich die letzte Instanz zu sein, das Ganze im Griff zu haben, das Gefühl auch, mit seinem hohen Einsatz dem Unternehmen loyal zu dienen.
Das Unheroische daran ist, dass einem nach einer Weile normalerweise die Puste ausgeht, Verschleisserscheinungen auftreten und darunter oft auch die Qualität leidet.
Irgendwann wird es schwierig, hier Präsenz von Prägnanz noch zu unterscheiden. Man ist immer mehr präsent, aber immer weniger prägnant.
Proaktiv führen als ein proaktiv-entwickelnder Coach
Als Alternative bietet sich der proaktiv-entwickelnde Coach an:
- Der Coach ist vor allem daran interessiert, die einzelnen Mitarbeitenden zur vollen Leistung zu animieren.
- Er versteht sich selber als Befähiger seiner Mitarbeitenden und überlegt bei jeder Interaktion: Was kann ich tun, damit der Mitarbeiter seinen Job noch besser machen kann?
- Er weist unberechtigte Rückdelegationen zurück und überlegt sich, wie er den Mitarbeiter im konkreten Fall fachlich weiterbringen kann.
- Er denkt proaktiv über Job Enrichment, Job Enlargment, Job Rotation nach und hat als Zielbild im Kopf, dass sein ganzes Team möglichst selbstgesteuert die volle Leistung bringt.
Aus diesem proaktiv-entwickelnden Führungsverständnis heraus versucht er, Feuerwehrübungen möglichst zu vermeiden, weil er sich der Kollateralschäden bewusst ist, welche durch das Löschwasser entstehen.
Die Haltung des proaktiv-entwickelnden Coaches macht auf die Dauer das ganze Team stärker und verbessert damit mittelfristig auch den fachlichen Output des Teams. Kurzfristig kann es allerdings vorkommen, dass die Gesamtleistung des Teams nicht stimmt, weil der Chef davon absieht, alle Defizite persönlich auszugleichen.
Der Wechsel vom heroisch-reaktiven Defizitausgleicher zum proaktiv-entwickelnden Coach ist durch aus ein Paradigmenwechsel im Führungsverständnis. Der Teamleader muss sich vom "Edelsachbearbeiter" zum Enabler weiter entwickeln.
Proaktiv führen, heisst auch den Mut zu fassen. Ausser Mut brauchte es jedoch auch Vertrauen in die Fähigkeiten und in das Potential seiner Mitarbeiter. Und es braucht Zeit – Zeit, nachzudenken über seine Mitarbeiter, Zeit, sich ihren Fragen tatsächlich zu stellen, Zeit, sein eigenes Wissen zur Verfügung zu stellen.