03. Januar 2023

Beziehungsmanagement: Führung zwischen der Sach- und Beziehungsebene

Beziehungsmanagement

In der Führung geht es um Menschen. Managerinnen und Manager, die in ihrer Führungsarbeit erfolgreich sein und gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden Leistung erbringen und Ziele erreichen wollen, müssen anerkennen, dass sie Menschen führen.

Von: Petra Wüst  

Dr. Petra Wüst

Petra Wüst leitet das Beratungsunternehmen Wüst Consulting in Basel und ist international als Beraterin, Trainerin und Referentin tätig. Ihre Themenschwerpunkte sind Kommunikation, Leadership und Selbstmarketing.

Was auf den ersten Blick banal klingt, ist bei genauer Betrachtung komplex: Sie müssen wissen, wie der Mensch tickt, was ihn antreibt und was ihn blockiert. Sie müssen in ihrer Führungsarbeit sinnvoll mit Emotionen umgehen können und fähig und willens sein, sich auf ihre Mitarbeiter einzulassen – ohne dabei den Leistungsaspekt aus den Augen zu verlieren.

Vor dem Hintergrund der Veränderungen, die sich gerade in der Arbeitswelt vollziehen, gewinnt dies nochmals an Bedeutung. Wenn Unternehmen schneller und flexibler agieren wollen, braucht es einen kulturellen Wandel. Damit verändern sich auch die Rolle der Führungskraft und die Anforderungen, die an eine gute Führung gestellt werden – weg vom Top-down Führungsstil hin zu einer grösseren Beteiligung und Mitsprache aller.

Menschen sind nicht bloss eine Ressource, die es optimal einzusetzen gilt, sondern möchten wertschätzend und auf Augenhöhe geführt werden. Damit rücken Vertrauen und Empowerment, echtes Verstehenwollen und Eingehen auf die Mitarbeitenden in den Vordergrund.

Die Gesetze des Eisbergs

In der Zusammenarbeit sind wir immer auf zwei Ebenen aktiv – der Sachebene und der Beziehungsebene:

Mit den Sinnen erfassbar: die Sachebene

Sie steht für die Elemente, die man sehen und anfassen, also sinnlich erfahren kann. Im Kontext der Führung beinhaltet die Sachebene Elemente wie Unternehmensstrategie und -struktur, Ziele, Prozesse, Aufgaben, Produkte, Produktionsmittel sowie Führungswerkzeuge
wie Zielvereinbarungen, Balanced Scorecard usw. Die Sachebene beschreibt somit das Thema, weshalb wir zusammenarbeiten, sowie die Hilfsmittel, die wir zur Bearbeitung des Themas einsetzen. Daneben können wir auf der Sachebene auch die Vernunft ansiedeln, das analytische und konzeptionelle Denken.

Unter der Oberfläche verborgen: die Beziehungsebene

Der Sachebene steht die Beziehungsebene gegenüber. Sie umfasst die Elemente, die mit den Sinnen nicht direkt wahrgenommen werden können und meist unbewusst ablaufen. Dazu zählen Emotionen, Motivation, Vertrauen, Persönlichkeitseigenschaften wie Motive, Werte und Neigungen sowie die Kommunikation als Voraussetzung und Bindeglied menschlichen Beisammenseins.

Die richtige Gewichtung finden

Diese beiden Ebenen lassen sich vergleichen mit den beiden Teilen eines Eisbergs: einem sichtbaren Teil oberhalb der Wasseroberfläche, der rund 10% des Gesamtvolumens ausmacht, sowie einem für den Betrachter unsichtbaren Teil unterhalb der Wasseroberfläche, der die restlichen 90% umfasst.

Sachebene

  • Strategie, Ziele, Ergebnisse, Prozesse, Instrumente, Produkte, Ressourcen
  • Ratio, analytisches und konzeptionelles Denken

Beziehungsebene

  • Werte
  • Emotionen
  • Empathie
  • Vertrauen
  • Selbstwahrnehmung
  • Motivation
  • Kommunikation

Seit dem Untergang der Titanic wissen wir: Es kann tödlich sein, den verborgenen Teil eines Eisbergs ausser Acht zu lassen. Und dies gilt nicht nur für echte Eisberge, sondern im übertragenen Sinn auch für den Eisberg in unserer Analogie:

  • Was bewegt den Eisberg im Wasser? Die Strömung. Was bewegt uns Menschen? Emotionen und Beziehungen.
  • Was passiert, wenn ein Teil des Eisbergs wegbricht? Er muss ein neues Gleichgewicht finden. Was passiert bei personellen Veränderungen im Team? Es entsteht Unruhe, bis jeder wieder seinen Platz gefunden hat.
  • Worauf muss ein Schiffskapitän in einem Eismeer achten? Auf den Teil des Eisbergs, der unter dem Wasserspiegel liegt und auf den er auflaufen könnte. Worauf müssen Führungskräfte achten? Dass die Leistungen ihrer Mitarbeiter nicht zurückgehen, nur weil sie die Beziehungsebene aus den Augen verloren haben.

Beziehungen sind mächtig

Die Sachebene ist für das Unternehmen von grossem Wert, denn ein Unternehmen braucht Führungskräfte mit analytischen und konzeptionellen Fähigkeiten, welche die Führungsmethoden und -instrumente beherrschen und zielgerichtet anwenden. Während die Sachebene für ein Unternehmen wichtig ist, ist die Beziehungsebene mächtig. Denn auf der Sachebene werden die Ziele festgelegt. Ob sie auch erreicht werden, entscheidet sich jedoch in den meisten Fällen auf der Beziehungsebene.

Leider wird dies in der Führungspraxis nicht immer so gesehen. Nach wie vor ist in vielen Firmen die Sachebene die einzige Ebene, der ein Wert für den Unternehmenserfolg beigemessen wird. Die Beziehungsebene dagegen wird ignoriert und verkümmert. Beispielhaft die Aussage einer Führungskraft: «Wenn es in meinem Team zu Konflikten kommt, dann versuche ich immer ganz sachlich zu sein. Emotionale Argumente lasse ich gar nicht zu, das führt zu nichts. Ich versuche dann, eine saubere Lösung zu finden. Regelmässige Reports zum Beispiel. Meist tauchen die Probleme dann aber an einer anderen Stelle wieder auf.»

Dabei ist die Fähigkeit, beziehungsorientiert zu führen, keine angeborene Begabung, sondern kann erlernt werden.

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