17. Juli 2024

Achtsame Kommunikation für Führungskräfte: Emotionen-Regulierung als Voraussetzung für eine gelingende Kommunikation

Achtsame Kommunikation für Führungskräfte

In Zeiten des Multitaskings und digitalen Medien­Overflows fällt es vielen Führungskräften schwer, sich auf eine Aufgabe oder ein Gespräch zu konzentrieren. Achtsamkeitstrainings können helfen, die Aufmerksamkeit auf das Wichtige zu lenken, sich selbst wahrzunehmen und die eigenen Emotionen zu regulieren – als Voraussetzung für eine gelingende Kommunikation.

Von: Matthias K. Hettl  

Matthias K. Hettl

Der studierte Volks- und Betriebswirt war nach Studium und Doktorandenzeit erst Assistent der Geschäftsführung und danach in versch. Managementpositionen mit Führungs- und Budgetverantwortung tätig. Er ist seit 1995 Geschäftsführer des Management Institutes Hettl Consult in Rohr bei Nürnberg. Als Coach, Trainer und Managementberater ist er vorwiegend für Vorstände, Geschäftsführungen und Führungskräfte tätig. Seine Schwerpunkte umfassen die Themen Leadership Skills und Managementkompetenzen.

Mail-Stakkato, WhatsApp-Gruppen, un­zählige Meetings, Termine und Präsen­tationen: Wenn im Minutentakt kom­muniziert wird und Aufgaben zwischen Tür und Angel nur halbherzig erledigt werden, bleibt die Konzentration auf der Strecke, besonders in den Füh­rungsetagen.

Was in der modernen Arbeitswelt als vermeintlich fortschrittlich gilt, führt oftmals zu schlechten Ergebnissen: Multitasking ist keine erstrebenswer­te Fähigkeit, denn sie überfordert die Menschen. Zu diesem Ergebnis kamen schon im Jahr 2009 Wissenschaftler der Stanford University. Sie haben er­forscht, dass intensive Mediennutzung keineswegs die Konzentrationsfähigkeit schult, sondern verschlechtert.

Achtsamkeit – Gegenpol zum Multitasking

«Heavy Media-Multitasker» liessen sich leichter ablenken, konnten sich rele­vante Inhalte schlechter merken und Informationen unzureichend verarbei­ten, wenn sie gleichzeitig an mehreren Bildschirmen arbeiteten. Ein Gegenpol zum Multitasking und zum bewussteren Umgang mit sich und anderen liefert das Konzept der Achtsamkeit.

Was der amerikanische, emeritierte Medizinprofessor Jon Kabat-Zinn in Anlehnung an östliche Meditationstechniken vor vielen Jahren als wirksame Methode zur Stressbewältigung bei Patienten («Mindfulness-Based Stress Reduction» – MBSR) entwickelt hat, gilt mittlerweile in Managerkreisen als anerkannte und erfolgreiche Methode, um die Konzentration durch eine be­wusstere Aufmerksamkeitslenkung zu schärfen. Zu weiteren wissenschaftlich nachgewiesenen Wirkungen achtsamkeitsbasierter Verfahren zählen unter anderem: eine bessere Emotionsregulation, eine freundlichere Haltung, klares Formulieren der eigenen Wünsche und einfühlsames Zuhören.

Erst reflektieren, dann kommunizieren

So lässt sich Achtsamkeit mit verhal­tenstherapeutischen und systemischen Methoden verbinden. Denn wer Acht­samkeit trainiert, lernt das Innehalten und Heraustreten aus dem alltäglichen Handeln, das Fokussieren und das Er­weitern der Aufmerksamkeit, das Beob­achten, ohne zu bewerten. Stellen Sie sich übertragen auf den Arbeitsalltag folgende Situation vor. In einem Mee­ting, in dem sich Mitarbeiter zu einem Thema streiten, spürt die achtsame Führungskraft mit folgender Frage der eigenen Reaktivität nach: «Wann werde ich ungeduldig, oder warum finde ich das Meeting langweilig und schweife mit meinen Gedanken ab?»

Eine bewusstere Selbstwahrnehmung hilft Führungskräften, nicht einfach aus starken Gefühlen heraus zu agie­ren oder zu reagieren, sondern bewusst zu handeln. Eine wirksame Methode, um das Zuhören zu üben und das Ver­ständnis und die Kommunikation mitei­nander zu vertiefen.

Viele Führungskräfte stehen sehr unter Druck. Das hängt mit den äusseren An­forderungen und der Überforderung mit den Medien zusammen, aber auch da­mit, dass sie permanent zwischen vielen Lösungsalternativen wählen und notwen­dige Entscheidungen treffen müssen.

Dass Multitasking nur ein ständiges Wechseln des Aufmerksamkeitsfokus ist, folglich viel Energie verbraucht und auch zu Fehlern führt, ist mittlerweile gut er­forscht. Ein Achtsamkeitstraining schult Fokussierung und auch eine bewusste Aufmerksamkeitslenkung auf die Aufga­ben, die wirklich wichtig sind. Acht sames Kommunizieren ist auch eine Frage der inneren Haltung. Durch Übung wird sie erfahrbar gemacht und reflektiert.

Sich selbst besser zuhören

Achtsamkeitstraining hilft, sein eigenes Verhalten zu beobachten und sich der eigenen Emotionen bewusst zu werden. Wenn ich zum Beispiel wahrnehme, welchen Anteil ich selbst an einem Kon­flikt habe, kann ich meine Emotionen besser regulieren und mein Verhalten in Gesprächen steuern.

Diese Selbstführung ist eine wichtige Kompetenz und Voraussetzung für den Umgang mit den eigenen Mitarbeitern. Ein Beispiel: Wenn ich mir meiner eige­nen schnell aufbrausenden Art bewusst bin und ich in mich hineinhöre bzw. selbst beim Sprechen beobachte, kann ich meinen blinden Fleck bewusst er­fahren und mit den Mitarbeitern anders umgehen, indem ich zum Beispiel kla­rer, mitfühlender und wertschätzender mit ihnen kommuniziere. Sich selbst zuzuhören, ist die Basis, um anderen besser zuzuhören.

Wie können Führungskräfte nun da­für sorgen, dass ihre erworbene acht­same Haltung im Arbeitsalltag nicht wieder verloren geht? Um das Gelernte aufrechtzuerhalten und weiterzuent­wickeln, braucht es – vergleichbar mit dem Lernen eines Instruments – den Aufbau einer eigenen, kontinuierlichen Übungspraxis.

Tägliche Übung

Es ist sinnvoller, jeden Tag zehn oder 20 Minuten zu üben als einmal in der Woche 60 Minuten. Hilfreich kann es sein, die Übungszeit als Termin mit sich selbst in den Kalender einzutragen. Für die Wirkung der Übungen ist es nicht wichtig, dass wir immer mit grosser Freude und Motivation dabei sind. Das Entscheidende ist, dass wir üben und uns nicht von anscheinend wichtigen inneren oder äusseren Gründen davon abhalten lassen. Achtsamkeit ist keine Methode «to go»; man braucht Zeit, Geduld, Dranbleiben – aber Führungs­kräfte bringen diese Fähigkeiten mit.

Auch die Atemmeditation, der Bodyscan und die Gedankenbeobachtung sind wichtige Methoden, die für eine achtsa­me Kommunikation eingesetzt werden können. Durch die Achtsamkeitsübun-gen werden die eigenen Muster klar er­kennbar. Denn die eigene Kommunika­tion ist voll von Automatismen.

Ist eine Führungskraft zum Beispiel ein ungeduldiger Mensch, reagiert sie un­gehalten, wenn ein Mitarbeiter Dead-lines nicht einhält. Indem sie sich den Automatismus ihrer eigenen Reaktion bewusst macht und ihren Eigenanteil, zum Beispiel ihr hohes Pflichtbewusst­sein, (an-)erkennt, kann sie künftig an­ders reagieren und klarer, achtsamer mit dem Mitarbeiter umgehen.

Ein achtsamer Umgang mit sich selbst ist nicht nur Grundlage achtsamer Füh­rung, sondern wirkt als Vorbild. Einer aktuellen Studie des Slow Media Ins­tituts zufolge ist die Fokussierung ein Grundbedürfnis für Führungskräfte, das im reizüberfluteten Arbeitsalltag oftmals nicht erfüllt wird. Gerade mittlere Mana­ger, die dem Druck von oben und unten standhalten müssen, sind belastet.

Achtsame Rituale entwickeln

Dennoch gilt, dass jeder Einzelne auf die Gestaltung des Arbeitsumfelds Ein­fluss nehmen kann, um konzentriertes Arbeiten zu ermöglichen. Achtsame Ri­tuale und Massnahmen sind ein erster Schritt: Dazu gehört der Mut zu Pausen als Teil der Arbeit, bei Meetings inne­zuhalten und Informationen auf sich wirken zu lassen, anstatt sofort zu ant­worten, sowie das Erweitern der Reakti­onszeiten auf E-Mails, das dem Sender ermöglicht, eine Nachricht bewusst zu lesen, zu speichern und zeitverzögert abzuschicken.

Denn wer achtsam kommunizieren will, sollte nicht aus einer zum Beispiel är­gerlichen Stimmung heraus eine Nach­richt verschicken, die er im nächsten Moment bereut. Lieber diese länger auf sich wirken lassen, als übereilt abzusen­den. Achtsam führen bedeutet auch, die Bedürfnisse und die Zeit des anderen zu achten und entsprechend Termine zu vereinbaren. Bei einem Telefongespräch könnte man zum Beispiel seinen Mitar­beiter zu Beginn fragen: Hast du zehn Minuten Zeit für ein Gespräch, oder auf welchen Tag sollen wir es vertagen?

Zu einem konstruktiven Gespräch ge­hört zudem, eigene Erwartungen zu reflektieren, zu kommunizieren und die Erwartungen des Mitarbeiters zu erfragen. Als Führungskraft sollte man nicht versuchen, jedes Gespräch «in die Hand nehmen zu wollen». Man sollte sich fragen, ob die Beteiligung an einem Gespräch für das Ergebnis wirklich hilfreich ist oder man es nicht lieber den Mitarbeitern überlässt und sich nur bei Bedarf einschaltet. Wichtig ist das Vertrauen in den Prozess, dass bei einer Kommunikation etwas Gutes herauskommt.

Hat ein Grossteil der Belegschaft eines Unternehmens die Prinzipien der acht­samen Kommunikation verinnerlicht und wendet sie im täglichen Arbeitsalltag an, sind die besten Voraussetzungen für eine Unternehmenskultur geschaffen, in der Mitarbeiter wertschätzend mitei­nander umgehen.

Übung Einsichtsdialog

Beim Einsichtsdialog nach dem ameri­kanischen Psychologen Dr. Gregory Kra-mer sind die Rollen (ein Sprecher und ein Zuhörer) klar verteilt, und der Ablauf ist strukturiert. Ein Rollenwechsel soll ermöglichen, dass beide Kommunika-toren jeweils beide Rollen erleben und dadurch auch ein Perspektivenwechsel ermöglicht wird.

Ziel ist es, einer Frage oder einem Thema im achtsamen Dialog Raum zu geben, das Geschehen auf sich wirken zu lassen und dabei eine Kommunika­tion entstehen zu lassen.

Zum Ablauf: Der Sprecher nimmt Kon­takt mit sich auf, lässt sich Zeit, hört nach innen und spricht von der eige­nen Erfahrung. Der Zuhörende öffnet sich dem Zuhören, wendet sich dem Sprecher zu, nimmt eigene Reaktionen und Impulse wahr, reagiert nicht nach aussen, spricht nicht.

Denn nur mit Achtsamkeit verliert die Führungskraft ihre Mitarbeiter und ihre Bedürfnisse im hektischen und infor­mationsreichen Führungsalltag nicht aus den Augen. Der Vorteil eines acht­samen Dialogs ist: bewusstes, achtsa­mes Sprechen und Zuhören, ein Thema vertiefend erfahren, offene, authenti­sche Kommunikation, Pausen, schwei­gen, Erfahrungen teilen, Mitgefühl mit sich und dem anderen entwickeln, sich mit Gefühlen und dem Körper in der Kommunikation erfahren.

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