11. Oktober 2023

Future Skills: Zukunft vorausschauen und erleben

Future Skills

Unsere komplexe Welt stellt uns beruflich und privat vor grosse Herausforderungen. Der Ruf nach Future Skills ist unüberhörbar. Aber was soll man unter solchen Zukunftskompetenzen verstehen und wie können sie erworben werden? Die auf hohe Agilität und handlungsorientiertes Lernen ausgerichtete Innovationsmethodik Design Thinking besitzt für Ausbildung und Beruf ein grosses Potenzial.

Von: Martin Neuenschwander  

Dr. Martin Neuenschwander

Dr. Martin Neuenschwander ist Dozent an der Hochschule Luzern und leitet u.a. das interdisziplinäre Modul SocialLab. Weitere Tätigkeitsfelder betreffen die betriebliche Gesundheit und Organisationsentwicklung im Kontext von New Work.

Wir wissen es: Die moderne Welt ist schnell, komplex, unübersichtlich und in jeder Hinsicht anforderungsreich – ob im Berufskontext oder im privaten Bereich.

Darüber wird viel geschrieben, geforscht und debattiert. Zwei Schlagwörter sind in diesem Zusammenhang immer wieder zu hören: New Work und VUCA-Welt. Während sich der Begriff New Work selbsterklärend auf den beruflichen Kontext bezieht, betrifft VUCA eigentlich all unsere Lebensbereiche. Das neudeutsche Akronym umfasst vier Herausforderungsbereiche:

  • Volatility (Schnelllebigkeit, ständige Veränderungen)
  • Uncertainty (Ungewissheit, erschwerte Vorhersehbarkeit)
  • Complexity (Vielschichtigkeit des Handlungskontexts)
  • Ambiguity (Mehrdeutigkeit der verfügbaren Informationen)

Beim näheren Hinschauen merken wir, dass wir eigentlich ständig in der Auseinandersetzung stehen mit den VUCA-Komponenten. Mit Blick auf den beruflichen Kontext etwa treiben uns Fragen um wie: In welche Richtung könnte sich der Markt entwickeln? Wie lange wird unser Produkt oder unsere Dienstleistung noch nachgefragt? Wann setzen wir zeitlich die Meetings an, sodass es für alle Standorte rund um den Globus einigermassen passt? Oder welche ist die richtig Mischung von Homeoffice und Arbeit vor Ort?

Aber mit Blick auf die eigene berufliche Laufbahn stellen sich auch ganz persönliche Fragen: Wie kann ich meine Employability (Arbeitsmarktfähigkeit) sicherstellen? Was braucht es, damit ich in meinem Job leistungsfähig, leistungsbereit und gesund bleibe?

Future Skills

Im Bereich von Bildung, Weiterbildung und Recruiting ist der Ruf nach Future Skills, also Zukunftskompetenzen, unüberhörbar. Damit sind Kompetenzen gemeint, die es braucht, um komplexe Probleme in einem zukünftigen unbekannten Handlungskontext erfolgreich zu meistern. In der Fachliteratur finden sich unterschiedliche Sets solcher Kompetenzen. Sie lassen sich aber generell gut unterteilen in solche, die die individuelle Ebene betreffen, und solche, die auf die Interaktion mit der sozialen Umgebung ausgerichtet sind.

Individuelle Ebene

  • kritisches Denken
  • Kreativität
  • selbstorganisiertes Handeln
  • Experimentierfreudigkeit
  • Selbstreflexion

Soziale Ebene

  • Kommunikation inkl. Konfliktfähigkeit
  • Perspektivenübernahme (Empathie)
  • Teamfähigkeit
  • adäquater Umgang mit Freiheit und Verantwortung im Arbeitskontext
  • Bereitschaft für interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzung

Aber wie bitte werde ich zukunftskompetent?

Wer sich umschaut in den Jobbörsen, bekommt schnell den Eindruck, dass «Skills» gesucht sind und weniger Diplome. Das bedeutet, dass eine abgeschlossene Ausbildung zwar weiterhin einen individuellen Erfolg darstellt, aber eben noch lange keine Garantie ist für einen erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben. Angesichts dieser Tatsache stellt sich die Frage, wie man sich die geforderten Future Skills in ausreichendem Masse aneignen kann und wer dafür die Verantwortung trägt. Ist das reine Privatsache, oder müsste das Augenmerk nicht ebenso stark auf die strukturelle Ebene gerichtet werden? Typischerweise also auf die Bildungsinstitutionen mit ihrer Verpflichtung, die Menschen fit zu machen für die Zukunft?  Tatsächlich tut sich einiges in der Bildungsbranche!

Agiles, selbstorganisiertes Handeln in einem förderlichen Umfeld

Gerade in der aktuellen Bildungsforschung und den darauf aufbauenden Konzeptentwicklungen für die höhere Bildung sind vielversprechende Trends feststellbar, die sich wie folgt charakterisieren lassen: weniger Formalismus und Kontrolle, stattdessen mehr Flexibilität und Selbstorganisation im Lernprozess, mehr Agilität in der Lern- und Arbeitsumgebung, gekoppelt mit verbesserten Partizipationsmöglichkeiten. Und nicht zuletzt: mehr Teamarbeit statt Einzelkämpfertum. Der fortgesetzte Erwerb von technischen und digitalen Kompetenzen steht dabei ausser Frage, aber gerade auch in den mathematisch-technischen Disziplinen ist eine Beschränkung auf diese Kompetenzen eine Fehlanzeige.

Interessant und nicht erstaunlich ist die Bobachtung, dass das zukunftsgerichtete Bildungsverständnis mit dem Fokus auf Individualisierung, Selbstorganisation, Agilität und Kooperation hochgradig korrespondiert mit den Empfehlungen aus der Fachliteratur für den erfolgreichen Umgang mit den Herausforderungen der VUCA-Welt.

Design Thinking als methodischer Zugang

Es stellt sich die Frage, wie ein methodischer Zugang für die Förderung der genannten Future Skills konkret aussehen kann, der gleichermassen im Bildungs- wie im Berufskontext Erfolg verspricht. Diesbezüglich muss die Welt definitiv nicht neu erfunden werden: Das Stichwort lautet Design-Thinking. Hinter diesem Begriff steckt eine Innovations- und Kreativmethodik, die ihren Ursprung im Industrie-Design des ausgehenden 20. Jahrhunderts hat. Im Grunde genommen handelt es sich beim Design Thinking um ein Mindset, dessen Potenzial sich erst bei der aktiven Auseinandersetzung damit erschliesst. Kernelemente dieser Innovationsmethodik sind eine kompromisslose Menschen- bzw. Nutzerorientierung und eine offene Prozessoptik.

Kernelemente von Design Thinking

  • von Neugierde getriebene positive Grundhaltung
  • klar definierte Prozessschritte für das Problemverständnis und den Lösungsprozess
  • frühes Visualisieren und Prototypisieren von Lösungsansätzen inkl. Testen bei der Zielgruppe
  • hohe Agilität beim experimentellen Wiederholen der einzelnen Prozessschritte
  • Scheitern und Fehler als Erkenntnisquellen nutzen
  • Fokus auf Kollaboration in interdisziplinären Teams und Netzwerken

Das SocialLab als Übungsfeld im Hochschulbereich

Die Hochschule Luzern bietet ihren Studierenden mit dem interdisziplinären Studienangebot SocialLab eine Gelegenheit, sich vertieft mit dem Mindset Design Thinking zu beschäftigen. In diesem vergleichsweise «wilden» Modul geht es darum, dass Bachelor-Studierende in interdisziplinär zusammengesetzten Teams innovative Lösungen entwickeln für komplexe Problemstellungen aus der Praxis. «Komplex» bedeutet, dass es sowohl für ein adäquates Verständnis der Fragestellung wie für eine belastbare Lösungsfindung verschiedene Fachdisziplinen braucht. Die Teams arbeiten während eines Semesters zusammen und werden in ihrem Prozess von den Dozierenden begleitet. Das SocialLab bietet für die Studierenden eine gute Chance, sich in spielerisch-ernster Weise bereits während des Studiums in den Future Skills zu üben.

Experimentiermöglichkeiten auch für Sie?

Das Mindset Design Thinking lässt sich in jedem Kontext entwickeln. Falsch machen kann man dabei eigentlich nichts und profitieren eigentlich immer. Auch für Sie bestehen viele Gelegenheiten, um mit dem Experimentieren zu beginnen:

  • Welche Ideen ruhen schon lange auf Ihrem Ideenparkplatz?
  • Was wollten Sie schon lange mal ausprobieren und trauten sich nicht aus Angst vor dem Scheitern?
  • Welche Möglichkeiten sehen Sie in Ihrem Kontext für mehr Zusammenarbeit statt Einzelkämpfertum?

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